Unverarbeitetes Leid lässt in eine Scheinwelt flüchten

image_pdfimage_print

Friedrich Weinreb in Schöpfung im Wort

Für Esau, der dem Leiden keinen Sinn abgewinnen kann, wird dieser nicht verarbeitete Schmerz zur Grundlage seiner Weltanschauung. Darum kann er auch das >korban< (Opfer) nicht bringen, denn das >korban< muß mit Freuden gebracht werden. Und wenn nicht verarbeitetes Leid zur Grundlage des Denkens wird, erzeugt man eine Scheinwelt, um sich dorthin flüchten zu können. Enttäuschung treibt den Menschen in eine Scheinwelt. Esau war erschüttert über den Tod und wußte nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Von Esau erzählt die Überlieferung, er habe über die Frage nachgedacht, ob man von Salz und Stroh den >Zehnten< geben müsse. Von Dingen, die für das eigene Leben praktisch wertlos sind, will Esau die Opfer bringen. An das, was für dieses Leben in der Welt der Entwicklung wichtig ist, will er nicht rühren lassen. Es ist die Tragik des Menschen, der nicht erkennt, daß es gerade der Leib ist, gerade das ganze Leben hier, das geheiligt, an Gott gebunden werden muß, und daß er, wenn er, wie man so sagt, das Leben >frei< laufen läßt, dabei aber das Andere, den Segen, doch auch wieder für sich beansprucht, nirgendwo anders hinkommen kann als in eine Welt des Scheins, die vom Rausch vergiftet ist.