Gott gedenkt am Scheitelpunkt der Sintflut

Friedrich Weinreb im Biblischen Kalender (Der Monat Siwan im Zeichen Zwillinge)

Am 1. Siwan sind die 150 Tage zu Ende, während denen das Wasser der Mabul [Sintflut] immer mehr wurde (1. Mose 7,24 und 1. Mose 8,3). Dies ist eine wichtige Grenze im Leben des Menschen. Der Höhepunkt des Unterganges in der Mabul [Sintflut] ist erreicht. Die Verzweiflung im Menschen, in der Welt, der Untergang in der Vielheit hat zum äußersten Punkt geführt. Der Mensch weiß nicht mehr ein und aus. Die Information ist zur Schwemme geworden, und man bemerkt, dass alles, was man diesen Informationen entnimmt, nicht nur zu nichts führt, sondern auch in jeder Hinsicht immer nur ein Ende, eine Sinnlosigkeit zeigt. Alle Betäubungen, jeder Rausch, aller Lärm und jede Ablenkung führt zu nichts; es ist unmöglich, zu leben. Man will nicht mehr, man will nur untergehen.
In dieser Verzweiflung gedenkt Gott des Menschen und allen Lebens auf Erden, gedenkt alles dessen, was sich in Wort, in Sprache fassen lässt (1. Mose 8,1). Gott lässt einen neuen Geist kommen, der die Welt beruhigt. Das gleiche Gedenken Gottes hören wir für Israel in der Gefangenschaft in Mizrajim [Ägypten]. Auch da der Moment des gesetzmäßig Äußersten (2. Mose 2,24); auch dort, wie hier, das Wort »wajiskor«, »und er (Gott) erinnert sich«. Aus seinem Innern kommt es hervor. Dem Gesetz gegenüber kommt die Liebe, das Erbarmen. Der Siwan bringt jetzt, vom 1. an, die Wende. Vorher war das Ansteigen des Wassers, ab dem 1. Siwan erinnert sich Gott, ein neuer Geist kommt über die Welt, über den Menschen. Wir erkennen den Zwilling: Der eine bis zum 1. Siwan, der andere kommt am 1. Siwan hervor. Neuer Geist, neues Leben. Wachsen bis zum Höhepunkt der Offenbarung. So heißt es in einer Version der Überlieferung auch, dass schon am 1. Siwan die Offenbarung ist. Mit der Wende, mit dem neuen Geist, ist es schon wie die Erfüllung. In der Zeit dauert es tatsächlich noch. Im Ewigen ist das Kommen des neuen Geistes schon die Erfüllung. Dort zählt die Qualität und nicht, wie im Zeitlichen, die Quantität.