Das hebräische Wort für „beten“ ist palal (פלל). Im Laufe der Zeit wurde daraus das Verständnis, dass man an höherer Stelle Wünsche vortragen oder Aufträge erteilen kann oder soll. Gott wird dann zu einer Art Wunscherfüllungsgehilfe für Anliegen, die man nicht selbst ausführen kann.
Man stelle sich einmal vor, dass bestimmte Menschen nur mit uns in Kontakt treten, wenn wir etwas für sie erledigen sollen, wozu sie selbst nicht imstande sind. Die Beziehung basiert dann darauf, dass ein Kontakt ausschließlich bei einem Mangel aufgebaut wird. Auf andere Art formuliert: Wenn ich es selbst könnte, würde ich auf den Kontakt mit dir gerne verzichten.
Palal bedeutet aber etwas anderes. Es beschreibt ein „Zusammenbringen“ und ein „in Beziehung zu etwas anderem Setzen“. Schreiben wir jeden der 3 Buchstaben aus, lesen wir peh, lamed, lamed. Diese 3 Namen der Buchstaben zählen 233 (85 + 74 + 74), das ist der sogenannte „volle Wert“.
Die 233 ist auch der Wert des Baumes des Lebens. Beten hat prinzipiell nichts mit Ursache und Wirkung im irdischen Zeitverständnis zu tun, als ob es an unserem Beten liegen würde, dass bestimmte Dinge passieren und andere nicht, sondern mit einer Beziehung zum Baum des Lebens, wo der Mensch nicht mehr ungefragt nimmt oder gar fordert, wie es Eva am Baum der Erkenntnis macht, sondern in einer Liebesbeziehung steht, bei der die eine Seite auch ohne viele Worte versteht, was die andere Seite braucht.
Wenn in unserem Leben etwas konkret auftreten soll, muss dieses etwas „fallen“. Alles Materielle hat den Charakter des Gefallenen, was uns gefallen sollte, auch wenn wir nicht immer verstehen, warum uns etwas zugefallen ist. Fallen, nafal (נפל), hängt direkt mit palal zusammen, was nicht verwunderlich ist, wenn man erkennt, dass Konkretes nichts anderes wie ein Herabkommen aus dem „Dünnen“ (Dampf / Wolke) in das „Dichte“ (Wasser) ist. Die Natur stellt es uns mit dem Regen vor Augen, der auch beim Gebet des Elia ausdrücklich erwähnt und explizit im NT genannt wird (Jak. 5:18). Die Konsequenz ist die Frucht. Etwas fällt, um der Frucht willen, die ohne diesen Fall ausbliebe!
Nun könnten wir uns fragen, auf wessen Gebet hin wir hierhergekommen sind? Jemand hat gewollt, dass du hier unten bist, hernieder gekommen bist, deine Mutter dich durch eine Niederkunft freigelassen hat, um hier Frucht zu bringen. Kein Mensch kommt ohne Vorgeschichte hierher, aber diese können wir im besten Fall nur ahnen. Auch das bedeutet palal. Wird diese Ahnung zur Sehnsucht, erwächst eine Beziehung in der Qualität des Baumes des Lebens, der Sein und Werden in einem ist. Dann ist das Beten nichts anderes mehr als der Wunsch nach einer immer tieferen Beziehung, wie sie sich auch Braut und Bräutigam wünschen. Die andere Seite wird nichts unversucht lassen, um uns überfließend zu beschenken, indem sie etwas aus dem Sein ins Werden fallen lässt.