Die Aufteilung des Landes im Buch Josua macht einen sehr komplizierten Eindruck auf uns. Etwas hier, dann wieder dort, die Grenzen sind unregelmäßig und das Endergebnis ist nicht so, dass wir auf den ersten Blick sagen können: „Das ist jetzt vernünftig und leicht nachvollziehbar durchgeführt worden.“
Im Gegensatz dazu ist die Aufteilung des Landes, wie sie Hesekiel vor dem Ende gibt, eine ganz klare Angelegenheit. Jeder bekommt einen geraden Streifen, das ist so einfach, dass es sogar ein Kind übersehen kann.
In der Geschichte mit Josua wird zwar das Volk befreit, aber es gibt immer noch die große heidnische Welt, das heißt, es gibt immer noch den Körper und alles, was mit ihm verbunden ist, das noch nicht befreit ist und noch auf die Befreiung wartet.
Der befreite und der noch gebundene Teil geraten in uns selbst immer wieder in Konflikt, treffen aufeinander, um so in Berührung zu kommen, sodass sie schließlich als Ganzes vollendet werden.
Deshalb sieht die Welt für unsere Sinne immer noch sehr kompliziert aus, genauso wie wir uns oft fragen können, warum die Geschichte so viele verschlungene Wege nimmt, es so viele Geheimnisse gibt, dass man fast an jedem Punkt fragen könnte: Warum ist hier eine Kurve, dort ein Berg, warum ist es erst heiß und dann wieder so kalt, erst ist es zu trocken, dann überschwemmt alles, weshalb diese permanenten Wechsel in unserem Leben? An einem Tag gelingt einfach alles und an einem anderen denkt man sich, dass es vielleicht besser gewesen wäre, gar nicht aufgestanden zu sein.
Das liegt daran, dass wir die Welt, auch wenn sie bereits durch Josua erlöst ist, mit unseren Sinnen noch nicht so wahrnehmen können. Die Sinne sind noch gebunden und deshalb funktioniert die Wahrnehmung auch nur sehr eingeschränkt. Fortwährend zeigt sie uns ein Zerrbild der Wirklichkeit, sodass sich die Welt für uns als etwas kompliziertes Ganzes darstellt, doch genau so muss es auch sein. Diese Verzerrung, die so viele Fragen mit sich bringt, dient in Wirklichkeit als Schutz des Ganzen. Gerade dann, wenn wir nichts mehr verstehen und nur noch Fragezeichen über unserem Kopf schweben, wird das Land aufgeteilt. Es gibt Regionen mit Bergen, mit Wäldern, mit Seen; der eine hat diese Region und der andere eine andere und es gibt eigentlich wenig darüber zu sagen. Aber am Ende, wenn auch die Völker, wie es heißt, nach Zion strömen, das heißt, sich dem Kern, der Mitte zuwenden, alle Weisheit und alles Wissen aus diesem Kern, aus Gott, schöpfen, dann ist selbst für unsere Sinne alles einfach und klar.
Dann erst sehen wir, dass diese ganze Komplexität die Einfachheit in Perfektion ist. Sogar ein Kind weiß dann alles und kann auch auf diesem Gebiet alles begreifen. Es kann mit der Schlange spielen, von der keine Versuchung mehr ausgeht. Lange genug hat die Schlange das Kind zermürbt, indem sie ihm eine Befreiung auf dem Weg des Sich-Abmühens versprach:
„Sieh mal, wie kompliziert das alles ist, wie verwickelt, wie fremd und wie unverständlich. Aber wenn du nur lange genug lernst, deinen Sinnen folgst, immer brav und diszipliniert bist, dann wirst du einst alles verstehen und glücklich sein.“
Kinder haben gegen diese Art, die Welt zu erleben, eine tiefe Abneigung. Sie spüren noch, dass dieses Versprechen der Schlange eine Lüge ist. Sie wollen noch selbst ent-decken und nicht zu-gedeckt werden mit den Beobachtungen anderer. Intuitiv verbindet sich bei ihnen noch das Äußere mit dem Inneren.
In Hesekiel sind die Berge flach geworden, die Täler haben sich gehoben, es gibt kein Hinterfragen der Dinge mehr, sondern sie sind klar und deutlich zu sehen. Auch Levi, der Begleiter nach oben, hat dort seinen Platz auf dieser Erde gefunden.
Auch das ist dann sichtbar und findet nicht mehr in einer Atmosphäre statt, die wir Geist nennen, wo wir nicht sehen können, wie die Dinge des Geistes gleichzeitig auch im Körper präsent sind. Aber wir können dann plötzlich sagen: „Dieses konkrete Ding haben wir früher Geist genannt und jetzt sehen wir, dass Körper und Geist gleich sind, alles ist sichtbar und verständlich.“
Der Text basiert auf einem NL-Artikel Friedrich Weinrebs