Das entscheidende Drittel am Ende

Jakob kommt in die Situation der Auseinandersetzung am Jabbok, wenn zwei Drittel seines Lebens vorbei sind, er ist dann 98 biblische Jahre alt. Dann erhält er den Namen Israel für das letzte Drittel, das für die Einswerdung der Gegensätze in seinem Leben steht. Das klingt zunächst sehr positiv und vielversprechend, dass das ganze Hin und Her im Leben zu einer Einheit verbunden wird, tatsächlich aber ist dieser letzte Abschnitt der mit den heftigsten inneren Kämpfen einhergehende.
Auch bei Mose zeigt sich dieses Muster: Nach 80 Jahren folgt der Auszug aus Ägypten, der dann in die 40 Jahre der Durchquerung der Wüste mündet. Auch bei ihm ist dieses letzte Drittel alles andere als ein Spaziergang. Mit der 2 ist der Widerspruch da und mit dem Übergang in die 1 kommt es zum Verstehen und zur Einsicht, jedoch nicht auf eine einfache Art und Weise. Das Zerreißen der Verbindung zwischen Vater und Sohn (Jakob/Israel und Joseph) ist im Bereich der 1, also des letzten Drittels!

Mose hat Pharao und die Wirkungsebene von Säen und Ernten (Ursache und Wirkung) verlassen, doch nicht viel später wird er schon scharf angegangen, kritisiert, von den eigenen Leuten verleumdet, rechtet mit Gott, versteht Gottes Wege nicht trotz großer Offenbarungen und am Ende schlägt er wider Erwarten den Felsen, d.h. dass sogar beim bescheidensten Mann auf Erden der Bogen überspannt war.

Die 2 steht auch für die Frage, auf die wir keine Antwort finden, ebenso ist es das Paar, das kinderlos bleibt. Kommt die 1 als letztes Drittel, trägt sie das Siegel des intensiven Durchlebens von Freude und Leid, von dem Finden von Wahrheit und Lüge bei sich selbst, von Unverstanden-Sein, aber auch von Einsichten, die wie göttliche Offenbarungen „einfallen“. Das „letzte Drittel“, die 1 – wie auch immer sie gestaltet ist – ist eine ganz persönliche Angelegenheit, die die Schale der Dunkelheit um uns herum zerbricht, auf dass das Licht zum Vorschein kommen kann.
Die ersten beiden Wörter der Bibel ergeben auch das Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel, also 2:1, wenn man die Anzahl der Zeichen zählt. Bereschith hat 6 Buchstaben und das folgende bara (2+200+1) wird mit 3 Buchstaben geschrieben. Bara, „das letzte Drittel“ beginnt mit der 2 und endet mit der 1. Zwischen der 2 und der 1, gewissermaßen „auf dem Weg“ liegt die resch, das 20. Zeichen im Alphabet. Resch bedeutet nicht nur Haupt, sondern auch Armut, denn die göttliche Antwort zeigt uns immer wieder neu, dass unsere eigene Weisheit uns nicht zur 1 führt. Das Verb bara, das meist mit „schöpfen“ übersetzt wird, bedeutet auch „das Freilegen einer Öffnung“. Darum soll es auch „im letzten Drittel“ im Kleinen wie im Großen gehen: Dass der verschlossene Mensch „über das Maß hinausgeht“* bzw. hinausgebracht wird, sodass er das Wunder des Lebens bei sich selbst erfährt und Antworten erhält, die sein Inneres zur Ruhe bringen.


*“öffnen” stammt im Dt. von “auf”, welches lt. Duden im Sinne von “über das Maß hinausgehend” verstanden wird.