Das Öl der Olive – Die Befreiung des Ewigen

Das Wort für Öl, schemen, 300+40+50, hängt auch mit dem Wort für “doppelt” (mischnah, 40+300+50+5) zusammen. Zunächst ist das Öl im Fleisch und in den Grenzen der Frucht (Olive) gebunden. Nach der Ernte bringt man die Olive in eine Zwangssituation (Presse), dabei ist bemerkenswert, dass das Wort für „zwingen“ (anás, 1+50+60) im Hebräischen sich genau umgekehrt in den Zahlen offenbart wie das Wort für Olive (sajith, 7+10+400). Anás hat 111 / 417 (äußerer Wert / Athbasch) und sajith zählt 417 / 111.
Das Zwingen hängt auch mit dem Wort Versuchung zusammen (nasa, 50-60-5), denn als Menschen sind wir versucht den anderen beweisen zu wollen, dass unsere Verbindung zum Ewigen die richtige ist und dass sie „funktioniert“. Darum geht es auch in der Bitte „und führe uns nicht in Versuchung“. Man könnte es auch so verstehen: „Bewahre mich davor, das Ewige zu erzwingen.“ Genau das wäre das Bestreben der grenzenlosen Entwicklung (das sog. „Böse“), nämlich dass man irgendwann alles „machen“ kann … „Nun wird ihnen nichts mehr unmöglich sein“ (1. Mose 11:6 über das Geschlecht beim Turmbau zu Babel).

So folgt in dem Vaterunser dann der Satz „sondern erlöse uns von dem Bösen!“. Das „Böse“ lautet im Griechischen πονηρός (poneros). Etym. [von πένης (penes)] bedeutet es „sich selbst quälen und abmühen“ (nach dem engl. Motto: no pain no gain). Es geht hierbei nicht um irgendwelche „bösen“ Taten! Es ist der Zwang des Beweisen-Wollens oder in der Negation ausgedrückt: Des nicht Vertrauen-Wollens.

Bei der Olive erfolgt dieses Zwingen durch eine gath (3+400), eine Presse. Im NT wird gath schemen zu Gethsemane vergriechischt, aber die Bedeutung bleibt erhalten. Gethsemane befindet sich an einem χωρίον (chorion), einem „Ort“ [siehe Matth. 26:32 und Mark. 14:32 im Grundtext], das ist eine Verkleinerungsform von χωρα (chóra), welches von χηρα (chära) stammt und das ist eine Witwe. Im Griechischen bedeutet eine Witwe im Wort, dass sie keinen Raum mehr hat, dass sie einsam, verlassen und ihrer Erfüllung beraubt ist. Der Mann ist nur noch in der Erinnerung da, also innen, wo es weder Raum noch Zeit gibt.
Im Lat. ist eine Witwe eine vidua, d.h. eine Geteilte (di-videre). Das ist das Schicksal jedes Menschen. Wir sind als Herabgestiegene allesamt Beraubte und vermeintlich Allein-Gelassene. Und dieses Empfinden eines totalen Einsam-Seins und Sich-selbst-kein-Rat-mehr-Wissens definiert den „Ort“ Gethsemane. Ist ein Mensch in einem solchen Zustand, ist die Presse aktiviert, und das bedeutet, dass die Extreme, die Außenseiten, langsam einander näherkommen, während man selbst mittendrin ist.
Geht das nicht auch einfacher? Mit weniger Leid und Schmerzen? Die Olive trägt das Himmlische, das Öl in sich, doch es ist die Weisheit des Schöpfers, dass das Himmlische zuerst in die Form kommen muss, um einen Zugang zur Welt zu bekommen. Das Öl ist somit eine Art trojanisches Pferd, es kommt verborgen wachsend, gefangen in einer Frucht an einem immergrünen Baum. Das Wasser, die Zeit, kommt nicht „verpackt“. Das Irdische, Nur-Zeitliche trägt den Charakter des Entblößten, wohingegen das Himmlische schön gekleidet und stilvoll bei gebotener Bescheidenheit darauf wartet erkannt zu werden. Die Freilegung des Himmlischen erfolgt dann in den Momenten wie oben beschrieben und nur deshalb behält es den Charakter der Bescheidenheit. Ein stilles Staunen und eine tiefe Dankbarkeit durchziehen den Menschen, der es erlebt. Da ist weder Halleluja-Schreien noch grölender Lobgesang; still im Verborgenen laufen diese Prozesse ab, nicht als Rausch, der in einen Kater mündet, sondern als bleibendes Erlebnis, das keine Verbindung mit dem Zeitlichen eingehen wird (Öl und Wasser verbinden sich nicht). Es gibt also keine Erklärung, weder Technik noch Methode ein solches Erleben herbeizuführen, oder: „hat es bei mir funktioniert, dann wird es auch bei dir klappen!“.
„Doppelt“ ist dann keine Theorie mehr, sondern ein Bezeugen, dass man selbst erlebt wie sich das Ewige „aus-drückt“ (nach außen drückt). Man selbst ist beides, hier und dort, zeitlich und ewig. Die Doppelheit, die im Wort mit dem Öl verbunden ist, zeigt sich z.B. auch in den NT-Erzählungen vom „ungerechten Haushalter“ (Luk. 16) und bei den 10 Jungfrauen (Matth. 25). Beim „ungerechten Haushalter“ sollen die 100 Bat Öl geteilt werden. Eine Hälfte wird aus der Verantwortung gelöst. Und die 10 Jungfrauen, bei denen es um das Öl in der Lampe geht, teilen sich auch in zwei Hälften. Die Törichten (gr. morós: abgestumpft, sich mit dem Oberflächlichen zufrieden gebend) sind dann diejenigen, die meinen man könne sich das Öl kaufen, aber den Himmel erfährt man nicht kaufmännisch, sondern nur durch Hingabe – darin besteht unsere Auf-Gabe.