Der Kaufmann fordert Sicherheiten …

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… die nur im Exil angeboten werden, aber dem freien Menschen sind sie zuwider.

Die Kaufleute sind in der Sprache der Bibel die Kanaaniter. Ihre Bezeichnung stammt von dem Verb kana, 20+50+70, das „sich demütigen“, „sich niederbeugen“ und „einknicken“ bedeutet. Deshalb soll der Kaufmann im Heiligen „verbannt“ (cherem, 8+200+40) werden (5. Mose 20:17). Verbannen wird mit denselben Zeichen geschrieben wie das Wort für Gebärmutter und „barmerzig sein“ (200+8+40), aber mit cherem wird genau das Gegenteil ausgedrückt: Es ist eine unbeugsame Härte, die jeder Mensch sich selbst gegenüber der eigenen Neigung zu irdischer Sicherheit und der Emanzipation vom Vertrauen in das Leben beweisen soll. Es ist – man könnte sagen – die Umkehrung des Kaufmanns.

Ein echter Kaufmann zieht in aller Regel sämtliche Register zur Einforderung dessen, wofür er bezahlt hat. Knallhart und eiskalt ist das Gebahren einer solchen Gesinnung; es geht ausschließlich um Profit und Nutzen. Das Fordern von Sicherheiten entspricht dem Wesen des Kaufmannes. Nun zeigt sich bei ihm sprachlich eine Besonderheit: Auf der einen Seite ist er knallhart und auf der andern Seite verrät das Wort, dass er sich bei bestimmten Gegebenheiten beugt und einknickt. Ein Mensch, der alles zuerst vom Kopf her verstehen will, wird – wenn es darauf ankommt – sich beugen und einknicken, weil ihm das Vertrauen fehlt. So wird bei ihm selbst der Kaufmann gebrochen, weil seine Rechnung nicht aufgegangen ist. 

… viele vertreten die gegenteilige Auffassung, dass nämlich die Dinge erst denkerisch erklärt werden müssen, bevor man zur Anwendung gelangt. Das ist Kaufmannsdenken. Ein solcher will vor der Tat wissen, was er zu erwarten hat. Der Glaube jedoch lässt den Menschen im Vertrauen tun. Es gibt keine menschliche Beziehung, die nicht auf diesem Vertrauen gründet. Die Beziehung hört auf, wenn man einen Vorteil in ihr sieht, weil man einen Nutzen erwartet. Wenn man eine Beziehung wegen eines eventuellen Nachteils abbricht, war es nie eine echte Beziehung.
Was weiß man: Ein Vorteil kann zum Nachteil ausschlagen, eine schwere Belastung kann sich als großer Segen erweisen. Jedes Tun bedarf a priori des Vertrauens.

Weinreb, Wunder der Zeichen – Wunder der Sprache

Deshalb erzählen „verbannen“ und „barmherzig sein“ gleichermaßen 248, die wir auch bei Abraham finden, der auf der einen Seite knallhart gegenüber dem Götzendienst seines Vaters Terach ist, auf der anderen Seite aber überlässt er Lot die Wahl des Ortes bei deren Trennung, ebenso will er den über Sodom beschlossenen Untergang abwenden. Der Ausdruck „im Bilde Gottes“ (b’zelem elohim) zählt auch 248 (2+90+30+40 + 1+30+5+10+40) und darüber hinaus ist diese Zahl Ausdruck der unbegreiflichen 1: echad haja avraham (Eins ist Abraham [der 248 zählt] > Hes. 33:24). Abraham ist quasi der Anti-Kaufmann, der darauf vertraut, dass es gut ausgeht, auch wenn alles dagegen spricht.

Die Gebärmutter ist – außer in der Austreibungsphase des Kindes – ein weiches Hohlorgan, das aus glatter Muskulatur besteht. Während der Geburtsphase jedoch wird sie so hart wie ein angespannter Muskel nur sein kann, und die werdende Mutter trägt den Schmerz. Die Gebärmutter entsendet (bei gesundem Verlauf) die reife Frucht in die Verbannung, ins Exil. Aber die Trägerin der Gebärmutter lässt die Frucht, ihr Kind, nicht alleine – genau das Gegenteil ist der Fall: Jetzt erst erwacht und entbrennt die Liebe ihrem Kind gegenüber auf einem neuen Niveau, denn sie sehen sich nun zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht. Auch das bedeutet Verbannung: Das Erwachen der Liebe im gegenseitigen sich Erkennen. 

Neutestamentlich könnte man die Entsprechung leicht dort finden, dass im Tempel, im Heiligen, der Kaufmann weichen muss, er muss raus „ins Exil“, doch außerhalb des Tempels soll er handeln. Jetzt dreht sich die Bedeutung wieder herum. Wer außerhalb nicht handelt, behauptet dem Ewigen gegenüber, dass dieser „hart sei“:


Aber auch der das eine Talent empfangen hatte, trat herzu und sprach: Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast.

Matth. 25:24

Für „hart“ steht σκληρός (skleros) im Griechischen, daher die Sklerose, aber auch das Skelett, und das Skelett wird im Alten Wissen mit 248 Knochen angegeben, auch wenn das nach aktueller Anatomie nicht übereinstimmt, geht es doch hier nicht um die Quantität, sondern die Qualität der Aussage. Sagt doch auch der Volksmund über einen unbeugsamen Menschen: Was für ein harter Knochen!

Der Faule hätte hart gegen sich selbst sein sollen, indem er alle seine Möglichkeiten ausgeschöpft und nicht auf bessere Umstände gewartet hätte, die aus der Sicht eines zögerlichen Menschen sowieso nie eintreten. Das im Griech. gebrauchte Wort für „handeln“ stammt von εργον (érgon), dem Werk, womit auch das Wirken und die Wirklichkeit zusammenhängen. Dein Wirken hängt mit der Wirklichkeit zusammen, die du erlebst. Das Nicht-Wirken-Wollen wird dann in Matth. 25 „unnützer Knecht“ genannt, der dann hinaus in die Finsternis geworfen wird. Das „unnütz“ bedeutet etym. wörtlich „er gebraucht seine Hände nicht“, weil er Angst hat, etwas falsch zu machen. Diese Gesinnung zeigt ein auffälliges Hart-Sein gegenüber anderen. Harte Urteile, Missgunst und das Gefühl, selbst ungerecht behandelt zu werden, liegen nicht in einer schicksalhaften Prädisposition, sondern im Nicht-Nutzen der eigenen Möglichkeiten, wie sie jetzt im Augenblick vorhanden sind. Dieser „böse und faule Diener“, wie er auch genannt wird, ist der Teil bei uns selbst, der das anvertraute Talent aus Gründen der Sicherheit ungenutzt lässt und lieber verbirgt anstatt etwas damit zu riskieren. Jedes Wachstum ist ein Wagnis.
So ist es die Aufgabe jedes Menschen diese beiden Seiten in sich zu vereinen: Einerseits alle Möglichkeiten auszuschöpfen und andererseits, in Bezug auf das Ewige, keine Formeln aufzustellen, wie man etwas zu erreichen hätte, denn dort gilt nur das „Tun umsonst“, das sich im Prinzip der Liebe ausdrückt. Der Mensch ist im Zwischen – das ist sein Schicksal.