Der Mensch als Individuum – die Tiere als Staat

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Im folgenden Text Friedrich Weinrebs, der in den Niederlanden als Kurztext in einer Sammlung unter der Überschrift „Es wird der Bibel Unrecht angetan“ schon vor Jahren als Kurs veröffentlicht wurde, wird die Besonderheit des ganzen Menschen als Individuum gegenüber den Tieren beschrieben, die nach ihrer Art geschaffen wurden. 

Tiere haben im Gegensatz zum Menschen keine individuellen Namen. Tiere bilden deshalb auch nur eine Einheit innerhalb ihrer eigenen Gruppe. Bspw. ist ein einzelner Wolf nichts. Doch der Begriff Wolf ist eine Einheit, die durch eine bestimmte Seele, die alle Unterteile beherrscht, gelenkt wird. Ebenso verhält es sich beim Menschen, wo von den Blutkörperchen bis hin zu den Organen alles von einem zentralen Ort aus gelenkt wird.
Noch deutlicher sieht man es bei Bienen- oder Ameisenstaaten. Die individuelle Biene oder Ameise ist nichts, ebenso wenig wie ein einzelnes Blutkörperchen oder Organ im menschlichen Körper. Die Gesamtheit des Bienen- oder Ameisenstaates ist ein Organ. Deshalb hat der einzelne Mensch einen Namen, das einzelne Tier hingegen nicht, denn ein Name bedeutet, dass man einen Kern hat, der sich durch die ganze Existenz hin ausbreitet. Das Geben, das bewusste Nennen eines Tieres mit einem Namen beinhaltet, dass man das benannte Tier selbst zu einem Kern macht. Das bedeutet den Bruch des Ganzen. So nannten die Ägypter ihren Stier Apis, weil sie bewusst den Bruch wollten.
Eine menschliche Gemeinschaft bedeutet – daraus resultierend – ein Zusammengehen freier Individuen zugunsten der Gemeinschaft unter Inkaufnahme des Verlorengehens der Individualität, so wie es im Staat der Tiere der Fall ist. Das Spezialisieren des Menschen auf bestimmte Bereiche, die dann innerhalb der Gemeinschaft von Bedeutung sind, ist identisch mit der Herabsetzung des Menschen auf das Niveau der Tiere. Jeder Mensch muss ein Ganzes sein, das alles umfasst. Das Üben nur einzelner Eigenschaften, wodurch die anderen Möglichkeiten verwahrlosen, ist ein Bruch und die Entwürdigung des Menschen. Ein Staat der sich dem Prinzip unterwirft, dass die Gemeinschaft wichtiger ist als der Einzelne, ist deshalb auch ein Staat der die Besonderheit des Menschen leugnet. Dieser Staat unterscheidet sich nicht von einem Tierstaat.
Wir dürfen nicht vergessen, dass jeder von uns bereits ein solcher Staat ist, wobei nur das allgemeine Interesse berücksichtigt wird, dass es weder Mitgefühl noch Barmherzigkeit gibt. Wenn irgendein Organ einmal nicht richtig funktioniert und ansteckende Substanzen abgibt, dann wird der einzelne Mensch gnadenlos angegriffen, dann kann keine Rede davon sein, Verständnis für andere zu haben, sondern vielmehr einen blinden Gehorsam gegenüber dem Gesetz zu haben. Das kennt auch der Bienen- und Ameisenstaat und jede andere Tiergemeinschaft. Die den Menschen im Bild und Gleichnis Gottes eingeschaffenen Qualitäten von Mitleid und Barmherzigkeit werden in einer von Menschen konstruierten Gemeinschaft als Mangel bzw. Fehler deklariert. Deshalb ist es von größter Bedeutung, dass jede Form menschlicher Gemeinschaft die Würde und die Bedürfnisse jedes Einzelnen als Hauptprinzip zugrunde liegt. Jede Beschneidung des Rechtes einzelner Individuen ist ein Herabsetzen der Würde und ein Schritt Richtung Tierstaat. Jedem Einzelnen steht das Recht zu, sein Leben seinem eigenen Geheimnis gemäß leben zu können.
Das Eindringen in und Übertreten des Geheimnisses, wie wir es bei dem üblich gewordenen Bruch des Bankgeheimnisses heutzutage sehen können, zeigen, dass der Mensch zum Teilchen eines Ganzen, eines totalitären Staates, degradiert und entwürdigt wird. Man muss gerade den Staat als menschliches Bauwerk sehen und nicht als etwas das mit der Schöpfung in die Welt gekommen ist. Bei der Schöpfung werden die Tiere alle nach ihrer Art geschaffen, nur der Mensch als Individuum. In der Tierwelt kam bei der Schöpfung der Staat gleich mit, wohingegen der Mensch erst später aus eigenem Antrieb einen Staat gründete und somit das Leben der Tiere für sich selbst übernahm. Die Gesetze und Rechtsbegriffe der Bibel gelten deshalb immer nur dem Individuum, niemals einem Kollektiv. Die Bibel kennt keine Staatsgesetze – mit einer Ausnahme: das Gesetz des Königs. Dieses Gesetz gilt jedoch nur für den König und soll verhindern, dass der König nichts unternimmt, das die menschlichen Gemeinschaft in Gefahr bringt. Die Könige durften keine Pferde oder Frauen aus Ägypten kommen lassen, weil beide für die Zweiheit und den damit verbundenen Kampf stehen.
Man darf nicht vergessen, dass die modernen demokratischen Staaten ebenfalls den Staatsbegriff in den Vordergrund stellen und sich eigentlich dadurch nicht von totalitären Staaten unterscheiden. Der Unterschied ist graduell, aber nicht prinzipiell.

Anhand dieser Ausführungen liest sich auch die Offenbarung des Johannes differenzierter. In Offb. 16:10 ist vom Reich des Tieres zu lesen: “Und der fünfte goss seine Schale auf den Thron des Tieres aus; und sein Reich wurde verfinstert; (…)”

Hier zwei Verse, in denen das Schaffen nach der Art zum Ausdruck kommt:

1. Mo 1,24: Und Gott sprach: Die Erde bringe lebendige Wesen nach ihrer Art hervor: Vieh und Gewürm und Tiere der Erde nach ihrer Art! Und es wurde so. 1. Mo 1,25: Und Gott machte die Tiere der Erde nach ihrer Art, und das Vieh nach seiner Art, und alles, was sich auf dem Erdboden regt, nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.

Der hebräische Begriff für Art lautet min, 40-10-50. Als Nomen kann er mit Art, Sorte, Gattung übersetzt werden. Als Verb mit sortieren, spezifizieren und klassifizieren. Doch auch der Ketzer und der Sektierer werden mit diesem Wort beschrieben. Min hängt auch mit der gleichlautenden hebräischen Präposition min, 40-50, zusammen, bei der oftmals in Verschmelzung mit einem Nomen die Nun weggelassen wird, also nur noch die mem übrig bleibt. Diese Präposition beschreibt den Vorgang des Trennens, also des „weg von“ – etwas trennt sich und bewegt sich auf etwas anderes zu.
Menschen haben aus sich selbst heraus Gruppen und Staaten in der äußeren Welt nach der Ordnung der Tiere gebildet. Alles zielt auf den Staat als ein Organ ab. Ebenso wie es bei den Tieren der Fall ist. Tiere agieren nach Instinkt bzw. Naturgesetz. Wo der Mensch sich damit identifiziert unterwirft er sich selbst den Naturgesetzen, die nach dem Prinzip „nur die Stärksten überleben“, ohne Gnade und Liebe herrschen. Barmherzigkeit ist ausgeschlossen, weil der Einzelne nichts mehr zählt. Er hat dem Ganzen zu dienen. Nur in dieser Funktion ist er wertvoll. Seine Persönlichkeit und Würde bleiben auf der Strecke. Man braucht nicht so weit weg zu schauen. Auch religiöse Gemeinschaften folgen nicht selten dem Ansatz „wir sind’s!, wir haben die Rettung – ihr gehört nicht dazu“. Nun sehen sich die wenigsten Mitglieder einer solchen Gruppierung als einer Sekte zugehörig, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann.
Es gibt ein paar allgemeine Merkmale, die allen „biblischen Spezialeinheiten“ zu eigen sind. Hier eine kurze Aufzählung, (wie ich es auch selbst erlebt habe):

  • Man fühlt sich innerhalb der Gruppe sicherer und stärker als ohne.
  • Es gibt Leitlinien bzw. Lehren, die nicht infrage gestellt werden dürfen. Meist werden diese von „Berufenen“ oder „Auserwählten“ mit leitender Funktion, ähnlich einem Guru, vorgegeben. Die Mehrheit traut sich noch nicht einmal, eine eigene Meinung zu äußern.
  • Man hat innerhalb der Gruppe das Empfinden, dass man selbst zu den Geretteten gehört und alle anderen außerhalb „verloren“ sind.
  • Missionszwang nach außen – mehr Mitglieder bedeutet mehr Zustimmung, und damit ist man automatisch „richtiger“.
  • Verbeißen und Schlechtreden Außenstehender, die das Konstrukt – oft Gemeinde genannt – kritisieren. Vor Außenstehenden, die sich auch auf die Bibel berufen, diese aber anders verstehen, wird eindringlich gewarnt. Diese haben höchstwahrscheinlich den „Geist von unten“ …
  • Es wird nicht gerne gesehen, wenn man Kontakt zu Nicht-Mitgliedern hat. Auch Familiengründungen sollen möglichst nur mit den eigenen Leuten stattfinden.
  • K-O-Schlagwörter bei religiösen Gruppierungen (die sich auf die Bibel berufen), die gerne gegenüber anderen verwendet werden, sind: Nicht biblisch, satanisch, falsche Propheten, Verführte, verweltlicht
  • Das Ziel der Gruppe ist wichtiger als die Ziele Einzelner.

Die Wirkung von gruppendynamischen Prozessen und die Auflösung der Person spielen eine weitere wichtige Rolle. Ein Psychologe verwies mich während eines Gespräches in diesem Zusammenhang auf den Begriff der Gehirnwäsche, der wie folgt definiert ist:

„Gehirnwäsche ist ein Konzept zu sogenannter psychologischer Manipulation. Dabei wird mit Taktiken der mentalen Umprogrammierung das Selbstvertrauen und die eigene Urteilskraft der Zielperson angegriffen, um deren Grundeinstellungen und Realitätswahrnehmungen zu destabilisieren und anschließend durch neue Einstellungen zu ersetzen. Ältere Gehirnwäsche-Methoden versuchten den psychischen Widerstand mit körperlicher Gewalt zu brechen. Theorien der Gehirnwäsche entstanden zunächst im Zusammenhang mit totalitären Staaten. Später wurden sie vereinzelt auch in religiösen Gruppen (Sekten) angewandt.“ (wikipedia)

Das „vereinzelt“ am Ende halte ich für eine Abschwächung. Insbesondere die subtile oft nonverbale Abweisung durch Gestik, Mimik und Meiden treffen Menschen zuweilen tiefer, als ein offenes Gespräch. Diese Methoden offenbaren jedoch zugleich die Angst, das eigene Wackelgebäude zum Einsturz zu bringen. Ehrliches Infragestellen wird einfach ignoriert. Insbesondere die leitenden Personen verfügen in der Mehrheit über eine Art Kritikresistenz.

Es gibt doch eine Vielheit in der Menschheit. Jedes Individuum einer Rasse, eines Volkes ist doch eine Einheit für sich. Wie jeder Mensch seinen unverwechselbaren Fingerabdruck besitzt, hat er auch seine einzigartige Persönlichkeit. Es gibt also keine uniforme Einheit. Gerade aber im kausalen Denken will man gern zur Uniformität zwingen. Das Volk, sagt man, die Inder, die Araber, die Russen — was ist die? Es gibt so viele Verschiedene, alle Arten Gute und alle Arten Böse. Man tut so, als ob es eine Einheit ist, weil das Denken diese Vielfachheit und diese Vielschichtigkeit in jedem Einzelnen, der sich ja jede Sekunde ändern kann, einfach nicht erträgt.
(Weinreb, Psychologie der Sehnsucht)

Nun spricht die Bibel insbesondere im Neuen Testament doch relativ oft von der Gemeinde bzw. der Gemeinschaft. Griechisch ist es meist die ekklesia. Das Wort ist aus ek (aus, heraus / Trennung!) und kaleo (rufen) zusammengesetzt und bedeutet wörtlich einfach nur heraus(ge)rufen. Man wird aus der Gemeinschaft der Welt, des Diesseits herausgerufen. Wohin? In die Gemeinschaft des Jenseitigen, wie es auch im Brief an die Hebräer (Hebräer bedeutet „jenseitig“) Kapitel 10 Vers 25 heißt: indem wir unsere eigene Versammlung nicht verlassen, wie etliche zu tun pflegen, (…). An dieser Stelle steht episynagoge, also (wörtlich) die „Hinzu-Versammlung“. Es soll sich immer mehr sammeln.
Der Weg in die Welt ist ein Weg in die Vielheit und damit in die Zerstreuung. Ein zerstreuter Mensch ist zugleich auch verwirrt, findet sich nicht zurecht, kann oft einfachste Dinge nicht erledigen. Gesammelt sind wir ganz. Wenn jemand Briefmarken sammelt, bestellt er hierfür keine Dachziegel. Man sammelt also stets das, was zusammengehört.

Der moderne Mensch ist weit weg davon etwas Jenseitiges bei sich selbst zu suchen. Dabei ist es in uns allen. So spricht man im alten Wissen ganz selbstverständlich von einer jenseitigen Gemeinschaft:

Unter Gemeinschaft versteht die Überlieferung nicht nur das Leben der Gesellschaft, die Tausende oder Millionen Menschen, die zusammen leben, sondern auch und eigentlich den Menschen selbst, der durch die Zeiten hin mit anderen und mit sich selbst verbunden ist — in diesem Leben, im vorigen Leben, im nächsten Leben; wegen unseres Zeitbegriffs ist es schwer auszudrücken, es ist ein Nebeneinander, ein Durcheinander, nach vorwärts und rückwärts.
(Weinreb, das Opfer in der Bibel)

und an anderer Stelle:

Eine kehilah heißt im Hebräischen eine Gemeinde. Kahal, 100-5-30, ist auch versammeln. Mach bei dir keine weltliche Versammlung, denn wenn du das machst, dann kommt beim Menschen das Gefühl, er müsse hier herrschen. Und dann will der Bruder herrschen und dann will der andere herrschen. Und dann kommt eine Erstarrung, wodurch es stirbt. Das ist der Grund, und es ist ein guter Grund, dass es bis heute zum Beispiel im Judentum keine Organisation gibt.
(Weinreb, Das Matth. Ev. / Audiovortrag)

Eine kurze Besprechung des obigen Textes finden Sie in meinem Video auf Youtube: