Die Bibel, ein Buch voller Widersprüche?

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Enthülle* meine Augen, dass ich direkt erblicke was schwer zu verstehen ist von deiner Thora“, ist die wörtliche Übersetzung von Psalm 119:18, wenn man die Wurzel der Wörter berücksichtigt.
Das „was schwer zu verstehen ist“ heißt auf Hebräisch palá, 80-30-1, es ist das Wort aleph, 1-30-80 (Name des ersten Buchstabens des hebr. Alphabets), in umgekehrter Reihenfolge. Zusammengezählt ergeben beide Wörter für sich genommen die 111, die 1 auf allen Ebenen, das ist für den Menschen in der Tat schwer zu verstehen. Er sieht in der Welt oft Zwiespalt, Streit, allgemein Un-EIN-igkeit. Und so sehen viele Menschen auch die Bibel als ein Buch voller Widersprüche, weil sie nur das Äußere sehen und dabei stehenbleiben. Die Bitte in diesem Psalmvers besteht darin, doch die Hülle wegzunehmen, den Vorhang zerreißen zu lassen, um eintreten zu können in das, was kein Auge geschaut hat.
Der Buchstabe ist der Körper, der weder aus sich selbst noch um seiner selbst willen besteht. So wie ein unbewohntes Haus einen gespenstischen Charakter bekommt, so erhält auch das Wort, unverbunden mit der Seele, eine destruktive Energie. Zieht aber die Seele ins Wort ein, wird es wohnlich, behaglich, gemütlich, bietet Schutz und noch mehr: Es wird ein Zuhause.

Das bewohnte Haus bietet Herberge in einer kalten dunklen Welt.

Die Form gewährt Raum. Man besucht nicht ein Haus, sondern seine Bewohner. Ein unbewohntes Haus zerfällt, doch Gottes Wort bleibt, weil er darin wohnt und darauf wartet, den Menschen, der sich nach Gemeinschaft mit ihm sehnt, einzulassen. Dann ist es nicht mehr schwer zu verstehen, was Einheit bedeutet, denn die 1 ist immer in der Mitte zu finden, und Mitte heißt tawech, 400-6-20. Dieses Wort bildet nach dem Prinzip des Athbasch genau das Gegenüber von palá (111 <> 426).

Suche ich aber nicht Gott in seinem Wort, also die lebendige persönliche Beziehung zu ihm, bekommen die gleichen Formen (Schriftzeichen) einen ganz anderen Charakter, der meist zwingend, kalt und drohend ist, darüber hinaus ist das Wort dann auch tatsächlich voller Widersprüche. Man kann sehr wohl auch die Bibel in dämonischer Manier missbrauchen. Man erkennt es leicht daran, wenn sie benutzt wird, um die Einheit der Schöpfung und der Menschen zu zertrümmern. Wer derartigen Missbrauch mit Gottes Wort tätigt, wird im eigenen Leben jede Leichtigkeit verlieren, denn unsere Beziehung zur Bibel offenbart unsere Beziehung zum Leben. Leben quillt aus dem Zentrum nach außen.
Möge Gott uns allen die Decke von den Augen nehmen, auf dass wir die verborgene Schönheit des Wortes mit unseren eigenen Augen erblicken und erstaunen ob der Wunder, die darin enthalten sind.


*Hebr. galah, 3-30-5: enthüllen, entblößen, die Decke wegnehmen, offenbaren