Die Einteilung von Arm und Hand

image_pdfimage_print

Wir leben in der Welt des Tuns, die man in der Überlieferung die Olam Assia nennt.

Am siebten Tag geht der Mensch, indem er handelt, der Einswerdung entgegen. So, wie es in der ersten Schöpfungsgeschichte zum Ausdruck kommt: >um zu tun<, im Hebräischen >la-asoth<, vom Begriff >tun< abgeleitet ist. Dieser 7. Tag wurde geschaffen, >um zu tun<. Wörtlich übersetzt lautet das Ende dieses 3. Verses aus Kapitel 2 der Genesis: >das Gott schuf, um zu tun<, oder >damit getan werde<. Der 7. Tag ist also dazu da, dass der Mensch verbindet, die Extreme vereinigt. Und das ist nur möglich, wenn er hier >tut<, wenn er durch sein Tun seinen Körper in diesen Prozess der Einswerdung einbezieht.

Weinreb, Schöpfung im Wort

Arme und Hände haben eine ganz besondere Einteilung. Bei den Gelenken kennen wir das Schultergelenk zu Beginn (1), dann den Ellenbogen (2), gefolgt vom Handgelenk (3) und schließlich die Fingergelenke (4). Die Finger sind aus dieser Sicht der 4. Teil des Arms. Dieser 4. Teil ist in besonderer Weise weiter untergliedert. Der Oberarm ist die Eins, die nach dem Ellenbogen zur Zwei wird (Elle und Speiche). Nach dem Handgelenk wird es zur Vielheit, die sich durch die Vier ausdrückt.

Aber diese Vielheit ist noch bis zu den Fingern verdeckt (Mittelhand) und erscheint in Form des Handrückens oben und des Handtellers unten noch als Einheit. Nur der vierte Teil, die Finger selbst, machen die Vielheit nach außen sichtbar. Die Finger wurzeln über die Mittelhandknochen eigentlich im Handgelenk. Der erste Teil der Finger ist der unsichtbare Teil, der noch mit Gewebe bedeckt ist. Nur der zweite, dritte und vierte Teil der Finger, die drei sichtbaren Glieder, sind eigenständig. Der Daumen hat nur drei Teile, von denen zwei sichtbar sind.

Die Hand zeigt mit den Fingern die Gegenüberstellung der 1 und der 4, so wie alles in der Schöpfung diesen 1-4-Charakter hat, in gleicher Weise hat auch die Hand diesen Charakter des sich Gegenüberstehens von dem, was man mit 1 bezeichnet und dem, was 4 ist.

Die Grundlage für die kommende Schöpfung nennt die Bibel Dunst:


Ein Dunst aber stieg auf von der Erde und befeuchtete die ganze Oberfläche des Erdbodens.

1. Mose 2:6

Auf Hebräisch heißt dieser Dunst ed, geschrieben mit der Aleph und der Daleth, in Zahlen: 1 und 4
Die 1 ist dabei der zentrale Teil, der Kern, die 4 ist die Umhüllung. Der zentrale Teil wird als männlich gesehen, die Umhüllung als weiblich. Die Zahl des Mannes ist die 3, die Zahl der Frau hingegen die 4; dies ist ein feststehendes Wissen im gesamten Altertum. Denken Sie auch an die 3 Erzväter (Abraham, Isaak und Jakob) und deren Frauen, die 4 Erzmütter (Sarah, Rebekka, Rachel und Leah). Auch dort finden wir die 3 mit dem Männlichen verbunden und die 4 mit dem Weiblichen. Nun hat der Daumen im System der Hand den Platz der 1 gegenüber den 4 anderen Fingern. Er kann sich als Gegenüber an den anderen Fingern entlang bewegen, was die anderen Finger untereinander nicht können. Auch dies ist eine Eigenschaft, die nur der Mensch besitzt. Der Daumen als 1 hat also 3 Teile, die Finger als 4 haben also 4 Teile. Die Finger sind gemäß dieser Sicht weiblich, der Daumen ist männlich.

Die vier Finger der Hand mit dem Daumen gegenüber entsprechen der Vierheit des ganzen Körpers (Rumpf, Oberschenkel, Unterschenkel und Füße), der durch das Haupt, der 1, gelenkt wird. Die raum-zeitliche Welt ist charakterisiert durch Beziehungen, Maße und Brüche. Die vorausgehenden Welten haben bereits diesen Bruch, aber in geringerem Maße und nicht nach außen zeigend. Dort ist der Bruch, die Teilung, die Idee der Vielheit nur innerlich im Denken unsichtbar anwesend, kann sich aber nicht nach außen ausdrücken, weil alles noch 1 ist.

Das sehen wir auch am Arm, wo nur der 4. Teil, der Teil der vorderen Finger, sichtbar wird. Sogar hier ist noch ca. eine Hälfte verborgen, denn der erste Teil der Finger wird von der Hand verdeckt und ist unsichtbar (Mittelhand); nur der Teil, der in Vielheit erscheint, ist sichtbar.
Die Finger haben bestimmte Maße, die ebenfalls sehr elementar sind. An dieser Stelle soll nur erwähnt werden, dass etwa die Hälfte dieser Formenwelt der sichtbaren Finger verdeckt und damit der Wahrnehmung entzogen ist. Mit anderen Worten können wir sagen, dass ein Teil unserer Handlung sichtbar und offenbar ist, während der andere Teil außerhalb des Wahrnehmbaren liegt.

Mit der Hand tun wir, d.h. wir bewegen, und das Sein dieser Welt ist Bewegung. Was mit der Hand getan wird, ist daher sehr entscheidend für das, was in der Welt geschieht.

Beim Kampf Moses gegen Amalek in der Wüste spielen die Hände die entscheidende Rolle.

Und es geschah, wenn Mose seine Hand erhob, so hatte Israel die Oberhand, und wenn er seine Hand ruhen ließ, so hatte Amalek die Oberhand.

2. Mose 17:11

So bildet die Hand die Verbindung zwischen Unten und Oben, und solange diese Verbindung mit Oben besteht, wird Amalek, der die Umhüllung repräsentiert, unterdrückt. Sobald die Hand nach unten geht – wörtlich heißt es dort im Text, dass sie ruht (nuach, 50-6-8) –, zerbricht die Verbindung mit Oben und Amalek gewinnt.

Die Handhaltung beim Beten

Man kennt bestimmte Gebetshaltungen, bei denen beide Hände ineinandergefaltet, also zusammengebracht werden. Durch diese Handlung bzw. Handhaltung zeigt man die Einsmachung dessen, was hier in der Sichtbarkeit in Zweiheit erscheint. Was hier als Zwei sichtbar ist, wird durch das Falten der Hände zur sichtbaren Eins gemacht, obwohl die Eins in dieser Welt nicht erscheinen kann. Deshalb wird diese (Gebets-)Haltung vom jüdischen Standpunkt aus nicht eingenommen, weil diese Welt nach wie vor Ausdruck der Zwei ist und man sie nicht als Eins verkünden kann.

Mehr noch: Das vollständige Falten der Finger wird sogar als gefährliche Haltung angesehen, da der Mensch in einen Zustand eintritt, der die Möglichkeit der Einheit des Bruchs mit sich bringt. Man muss deshalb bewusst die Hände auseinanderhalten, damit die Einheit nicht zusammenbricht und das Ganze vernichtet wird.
Solange diese Welt noch dabei ist, die alten Welten zu verdrängen, muss dies schrittweise im Tempo des Bruchs, im Tempo der Zweiheit geschehen. Daher kann derjenige, der diese Welt im Verhältnis zu den sieben früheren Völkern Kanaans in Besitz nimmt, niemals die Haltung der Eins auf einmal einnehmen. Es wird dann auch gesagt, dass das Verschränken der Finger die Möglichkeit eröffnet, dass das Din [4-10-50, hebr. für Gesetz] durchbricht und dann unwiderruflich etwas geschehen kann. Die in dieser Haltung erfahrenen Gedanken können einen unwiderruflichen Charakter annehmen.


Soweit Friedrich Weinrebs Ausführungen in der NL-Textsammlung “Gedachten” (mit kleinen Ergänzungen). Wenn man nun die typisch christliche Haltung der Hände beim Beten hinterfragt, so findet man, dass das Zusammenlegen bzw. das Falten der Hände aus dem 13. Jahrhundert stammt, wo Schuldner ihren Gläubigern ihre gefalteten Hände in deren Hände legten, um Gehorsam und Unterwerfung zu geloben. Dieser Brauch wurde angeblich von den Franziskanern übernommen, die diese Gesinnung Gott gegenüber als angemessen erachteten. Man verstand das Falten bzw. Zusammenlegen der Hände als Geste der demütigen Anbetung, zeigte zugleich jedoch damit, dass man von den Ursprüngen der Handlung nichts mehr wusste oder diese ignorierte. Interessant ist, dass sich diese Gebetshaltung bis heute erhalten hat. Einhergehend damit ist der ewige Schuldkomplex, den der Mensch durch die Praktizierung des Händefaltens unbewusst zum Ausdruck bringt.

Beim traditionellen Beten sind beide Hände geöffnet, auseinander und von oben empfangend. Im Stehen sind die Füße geschlossen, damit “die Schlange dich nicht beiße”. Die Öffnung sei stets nach oben (Hände), nicht nach unten (Füße).

Betende Hände

Man bringe aber, heißt es in der Überlieferung oft, seine Hände nicht so von ungefähr zusammen, das kann gefährlich sein. Man sollte zum Beispiel, wenn man auf Reisen ist, die Hände nicht einfach zusammenlegen, denn dieses Einsmachen der Hände könnte die körperliche Existenz vernichten, die ja gerade aus der Zweiheit besteht. Wenn der Mensch aber die Hände zusammenlegt, bedeutet das, dass er sich aus der Welt zurückzieht. Nun ist er aber gerade damit beschäftigt, sich zu bewegen und zu reisen, dann zieht er mit dem Falten der Hände eine Kraft an, die ihn aus der Welt herausziehen will. Heute versteht man diese Dinge nicht mehr, begreift nicht, dass bestimmte Haltungen, bestimmte Verhaltensweisen große Folgen haben können.
Man sollte sich dieser Dinge aber bewusst sein. Darum wird ja in der Überlieferung erzählt, wie der Mensch funktioniert, was es mit diesen Dingen auf sich hat.

Weinreb, Das Opfer in der Bibel, Seite 603

Die Ausnahme bilden bestimmte Handlungen im Tempel durch den Priester. Es ist hier nicht der Ort darauf en detail einzugehen, jedoch sei daran erinnert, dass der Priester im Hebräischen kohén, 20-5-50 heißt und der Daumen bohén, 2-5-50. Kohén kann man auch mit “wie sie” und bohén mit “in ihnen” übersetzen. Hier ist ein klarer Bezug auf die Vielheit gegenüber erkennbar.
Beide haben die Struktur 2-5-5, in der Quersumme die 12, die auch für die Vollendung (diese wird durch eine Multiplikation ausgedrückt) der 3 mit der 4 (3 x 4) steht. 3 x 4 = 12.
Erst aus der Verschmelzung von Mann (3) und Frau (4) kann das Neue (der Dreizehnte) hervorkommen. Sind Mann (3) und Frau (4) nur nebeneinander – wir sprechen von der Addition – kommt nur die 7 hervor, die auch leicht wieder trennbar ist. Im jüdischen Brauch wird eine Ehe erst durch die Verschmelzung beider Geschlechter gültig. Formelle Ehen ohne körperliche Einswerdung sind der Tradition gemäß keine Ehe.
Der Mensch erkenne, dass die Materie (4) vom Jenseitigen (3) durchdrungen ist. So kommt die 12 bei ihm selbst zustande, die die Voraussetzung für die 13 ist.