Nach dem Auszug aus Ägypten gelangt das Volk Israel in die Wüste. Das hebr. Wort für Wüste ist MIDBAR (40+4+2+200). Man kann leicht erkennen, dass das Wort DIBER (4+2+200) darin enthalten ist, welches meist mit „sprechen“, oder der Fähigkeit zu sprechen, übersetzt wird. Als DABAR ausgesprochen ist es das Wort, die Sache oder das Ding. Doch die Hauptbedeutung der 3 Konsonanten ist weder das Eine noch das Andere. An erster Stelle bedeutet D-B-R „verschiedene Punkte zu einem Ganzen (zur Eins) kombinieren“. Das Wort, so der Sohar, geht mit ins Exil und verliert dort seine Kraft, weil es den Bedingungen MIZRAJIMS unterworfen wird. Es wird dort immer wieder neu an die Form angepasst und „normiert“. Das genormte Wort verliert dann jedoch seine Eigenschaft, Hoffnung im Menschen zu wecken, auch schafft die Sprache es in diesem Zustand nicht mehr, Erinnerungen im Menschen an seine wirkliche Herkunft wachzurufen.
Das 4. Buch Mose (Numerus) wird im Original BE-MIDBAR genannt, was man mit „in der Wüste“ oder auch „im Gespräch“ übersetzen kann. In BE-MIDBAR geht es darum, dem Wort die verloren gegangene Kraft wiederzugeben. Es ist ein Gespräch mit Worten, die aus Ägypten befreit sind. Auch das Wort muss von der Versklavung, von der Festsetzung befreit werden. Erst dann, in der Rückverbindung zum Ursprung des Wortes, wird es auch mit der Kraft verbunden, die das Unmögliche wahr werden lässt.
Der Mensch neigt dazu, Strukturen, die ihm Stabilität geben, aufzulösen – das nennt er dann Freiheit – und wo Freiheit ist, fängt er an, zu zwingen und Regeln aufzustellen, die das Leben weichen lassen. Die Sprache ist ein typisches Beispiel dafür. Trennt die Sprache den Menschen von seiner Quelle oder verbindet sie ihn, gibt sie ihm Kraft und Mut oder raubt sie ihm die Hoffnung?
In der Wüste soll jeder für seinen „täglichen Bedarf“ sammeln (Ex. 16:4). Dieser Ausdruck lautet im Original DVAR JOM. JOM ist der Tag und DVAR besteht aus den oben genannten Konsonanten D-B-R. Der „tägliche Bedarf“ ist somit auch „das Wort des Tages“, welches uns nährt und uns weiter bringt auf dem Weg. Zu erfahren, dass alles ganz anderes ist, als man es in MIZRAJIM gelernt hatte, erzeugt eine gewisse Abneigung der Speise gegenüber, die vom Himmel fällt, denn man erwartet doch ganz nach ägyptischer Manier, dass man nur ernten kann, wenn man auch gesät hat. Was der Mensch nicht gewohnt ist, lehnt er gerne ab, weshalb es einen Weg (durch die Wüste) braucht, um ihn der ägyptischen Maße zu entwöhnen. Nicht säen, nicht ernten und doch ernährt werden, ist von den Vögeln des Himmels gesagt. Dieser Vers in Matth. 6:26 endet mit der Frage „Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?“ Das unscheinbare „mehr“ bedeutet im Griechischen „Du wirst auf zwei Arten getragen, nämlich Hier und Dort“.*
So nährt und trägt uns ein Gespräch, wenn es die Welten verbindet. Man braucht es nicht in Scheunen zu sammeln. Warum eigentlich nicht? Weil „dort“ alles da ist. Von dort fällt es zu und fällt es ein; niemals bist du allein auf dem Weg!
Wenn die 3 Zeichen DALETH-BETH-RESCH zum ersten Mal in der Bibel vorkommen, ist auch von einem Auszug die Rede:
Und Gott redete zu Noach und sprach: Geh aus der Arche, (…)
Gen. 8,15-16
Auf andere Art formuliert:
“Verlasse das Wort in den Maßen, die ich dir gegeben habe. Jetzt betrittst du eine neue Welt. Alle, die in der TEBAH (Arche bedeutet auch Wort) waren, lasse frei! Lass‘ sie gehen, auf dass sie auf ihre Art leben können! Halte nichts in dem begrenzten Wort fest, so wie es dich errettet hat. Diese Maße gab ich dir, sodass du von einer Welt in die andere gelangen konntest. Dort angekommen, rufe niemanden mehr in diese Begrenzungen hinein.”
Höre das Wort immer wieder neu. Für jede Zeit gibt Gott eigene Maße und er gibt allen, die auf dem Weg sind, DVAR JOM, den täglichen Bedarf. Nur sammeln muss man selbst. In Ägypten kommt DVAR JOM als Ausdruck zum ersten Mal vor, doch dort bedeutet es tägliche Arbeit unter Druck der Treiber (Ex. 5:13).
* [Herkunft: Aus δια diá = δυο dyo zwei + φερω phéro tragen, (wörtlich: auf zwei Weisen, hier und dort, tragen)]