Die Sünde: Einen Schritt nach unten

Ein Gespräch im Himmel

Gemäß einer Legende gab es ein Gespräch im Himmel. Gott sucht jemand, der bereit ist, in die unterste Welt zu gehen. Aber niemand wollte das. Da machte er den Menschen in seinem Bild und Gleichnis und sagte: Du musst dort hinunter, denn sonst habe ich niemand. So wie Gott sich teilte [wofür AV (אב), Vater steht], um den Menschen hervorzubringen, musste der Mensch auch noch einmal geteilt werden. So wurden sie Mann und Frau. In den Garten Eden gesetzt, sagt Eva: Schau, wie schön das hier ist! Das soll die unterste Welt sein? Das ist niemals die unterste Welt. 

Dann begegnet sie der Schlange und versteht, dass es nun an ihr liegen würde, den nächsten Schritt zu gehen. Es ist nicht irgendein Schritt, sondern „ein einziger Schritt nach unten“ – so wird das hebräische Wort für Sünde (CHETH) auch verstanden. 

Gott wollte den Menschen nicht zwingen, bis in die unterste Welt hinabzusteigen, er soll selbst entscheiden, ob er es wagen würde oder nicht. Eva, die Frau, wagt es – nicht der Mann! –, und so beginnt der Weg des Lebens, mit allen Entsagungen, aber auch Freuden. Wir alle gehen diesen Weg, wegen der Bereitschaft „einen Schritt nach unten“ zu gehen. 

Es wird erläuternd gesagt:
Stell dir vor, es gibt einen König, der jeden Soldaten seines Reiches persönlich kennt, sehr hoch schätzt und keinen von ihnen verlieren will. Auf einmal steht ein Krieg bevor, aber er will niemand zwingen, dorthin zu gehen. Jetzt befindet sich der König in einem Zwiespalt: Es muss gekämpft werden, aber es soll auch niemand dabei zu Schaden kommen …

Und dann sagen die Soldaten von sich aus: Ja, dazu sind wir doch da und sie gehen von selbst, wodurch sie die stille Hoffnung des Königs erfüllen, die er aber nicht gewagt hatte auszusprechen. Aber solange der Krieg geht, leidet der König unsäglich und hofft, dass doch jeder Einzelne unversehrt zurückkommen möge. Das ist Gottes Schicksal mit uns Menschen.

Ruhe ist dir hier nicht verheißen

Der Weg des Lebens ist im Zeichen der ZAJIN (ז), der 7, des Schwertes, wie es auch Jesus in Matth. 10:34 aufgreift:

Denkt nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern Schwert.

Wir alle haben permanent Auseinandersetzungen, obwohl die Mehrheit doch einfach nur in Frieden mit anderen zusammen sein möchte und sich freuen will. 

So gerne wollen sich viele einfach nur zur Ruhe setzen und das Leben genießen. Auch Jakob wollte das, denn von ihm heißt es nach all seiner Not mit seinem Bruder, seinem Schwiegervater und dem Kampf am Jabbok: WA’JESCHEV: Und er lässt sich nieder:

Und Jakob lässt sich in dem Land nieder, in dem sein Vater als Fremder geweilt hatte, im Land Kanaan. (Gen. 37:1)

Dazu schreibt die Überlieferung, dass dadurch Dinge in sein Leben gekommen sind, die ihm die Ruhe genommen haben. Seine Tochter Dina wird daraufhin vergewaltigt und sein Sohn Joseph wird verkauft. Tolle Verheißungen, die Gott da gibt! Erst sagt er, wir sollen das Land besitzen und wenn man sich niederlässt, kommt ein Hammer nach dem anderen. Die Unruhe trifft ihn jetzt kraft seiner Kinder. Die Eltern-Kinder-Verschränkung zieht sich durch die ganze Bibel. 

„Das passiert, wenn du denkst, du kannst dich in dieser Welt ausruhen. Wenn du ein Mensch bist, bekommst du diese Chance nicht.“ (F. Weinreb)

Sein Bruder Esau lässt sich im Gebirge SE’IR nieder – auch hier steht WA’JESCHEV (Gen. 36:8), und, so wird gesagt, dort wohnt er noch heute. Der Esau-Mensch ist „hier unten“ auf der Höhe (Gebirge) und dementsprechend gut geht es ihm. Er kennt sich mit den „Gesetzen des Universums“ aus und weiß sie anzuwenden. Allein die Beziehung zum Himmel fehlt ihm. Die braucht er auch nicht, denn er hat es ja schon „nach ganz oben“ geschafft. SE’IR (שעיר) ist ein Ziegenbock. Das Wort zählt 580, die immer die Grenze des Irdischen charakterisiert, wie es sich auch bei Noach (58) oder der Weltzeit (5800) zeigt. Das 580. Zeichen in der Bibel ist eine TETH im 153. Wort (טוב). TOV bedeutet „gut“, aber gut reicht nicht. „Sehr gut“ (TOV ME’OD) muss es sein. Das „sehr“ will sagen, dass es über das Mögliche hinausgeht. ME’OD (מאד), das Sehr, wird mit denselben Zeichen wie ADAM (אדם) geschrieben. 

Mensch zu sein ist ein „ich gebe stets mein Bestes und noch etwas mehr“. Ansonsten ist es eine fragliche Gesinnung. Wer braucht schon jemand, der nur „Dienst nach Vorschrift“ macht? Das können Maschinen viel besser. Aber Maschinen kennen und können kein „sehr“. Da scheitern sie allesamt. ME’OD, 40+1+4, kann man auch „von der 1:4“ lesen. Ein echter Mensch wird sich nicht mit einem geregelten Diesseits zufriedengeben, sprich gutbürgerliches Leben, weil er innerlich weiß, dass es zwischen Geburt und Tod um viel mehr geht. Dieses „mehr“ wird nur durch das Erwachen der Liebe zum Ewigen von innen heraus möglich. Niemals lässt sich das erzwingen. Wenn es zum Bedürfnis wird, stets etwas mehr zu geben, ist der Mensch als solcher erwacht.

Esau braucht das nicht. Er ist mit seinem „Ziegenberg“ (HAR SE’IR) völlig zufrieden.

„Esau lebt bis heute dort und niemand tut ihm etwas an. Er grunzt ständig vor Vergnügen. Er hat eine angenehme und gemütliche Zeit, hat sich gegen alle Eventualitäten gewappnet und für ihn ist alles in Ordnung.“ (F. Weinreb)

Jakob aber ist ein Getriebener. Nirgends findet er in der Welt wirkliche Ruhe. Das ist das Schicksal jedes Ivris. Man sucht die zukünftige Stadt (Hebr. 13:14), die unvergänglich ist. Jakob schenkt seinem Bruder 580 Tiere (Gen. 32:15-16) und sagt damit: Ja, Esau, ich weiß worum es dir geht. Mache es dir in deiner Welt schön gemütlich, genieße deine Position und dein Reichtum – ich gönne dir das alles, aber ich brauche das nicht. 

Die Frau nimmt es auf sich

Eva nimmt vom Baum der Erkenntnis und damit ist sie es, die das Bittere auf sich nimmt, wie es sich auch im Namen Mirjam ausdrückt. Die Ur-Mutter Eva bringt als Frau unter Entsagung und Schmerz neues Leben in die Welt, stets hoffend, dass alles eine viel tiefere Bedeutung hat, als es vordergründig scheint. Deshalb wird sie als einzige EM KOL CHAJ, Mutter allen Lebens genannt. Diese Bezeichnung bekommt sie „nach“ dem Nehmen vom Baum der Erkenntnis und „vor“ der Geburt ihres ersten Kindes. Das KOL (כל), das „alles“ bedeutet, hat den Zahlenwert 50 (20+30) weshalb Chawah, wie Eva eigentlich heißt, zur Mutter des Lebens wird, das nach Verbindung zu seinem himmlischen Ursprung zurückstrebt. Jedes Kind, das hier geboren wird, soll etwas von dieser Welt (eigentlich „Unterwelt“) zurückbringen. So wie eine Mutter umsonst liebt, so bringt der Mensch etwas zurück, sobald er umsonst tut. Alles andere würde das Niveau eines Tieres nicht übersteigen. Eine Mutter ist erst dann glücklich, wenn es auch ihre Kinder sind, und dazu gehört, dass sie sich selbst zurücknimmt und sogar ihre eigenen Interessen um des Kindes willen opfert. Deshalb sind „Sünde“ und „Opfer“ nicht voneinander zu trennen, doch es ist ein Opfer im Sinne eines Freude-Gönnens, eines Wiedererlebens des Himmels, dem man auf diesem Weg KEREV (קרב), näherkommt. 

Durch sie kommt der Tod, durch sie kommt das Leben“, sagen die Kommentare, „und durch sie lebt auch der Mann in der kommenden Generation“. „Ein Einzelner stirbt und schenkt dadurch vielen das Leben“ (Rav Hirsch). Das Muster, dass einer sich aufgibt, um vielen das Leben zu schenken, sieht man mit modernem christlichem Tunnelblick nur auf die Geschichte des NTs bezogen, dabei geht es um das Ur-Prinzip des Lebens, das darin besteht, dass Gott seine Einheit aufgibt, sein Eins-Sein aufgibt, WEIL es sonst überhaupt kein Leben gäbe. Leben bedeutet Distanz (in den Zustand der Zweiheit bringen), das wiederum bedeutet, dass es einen Weg gibt, der einen Anfang hat und zu einem Ende, einem Ziel hinführt. Auf diesem Weg, der nichts anderes als das Mysterium von Raum und Zeit ist, soll der Mensch EMETH (אמת) finden, die Wahrheit. 

Die Wahrheit und der Tod der Mutter

Wahrheit zählt im Wort im zweiten und dritten Zeichen das 10-fache des Menschen. Aus der 4 wird eine 40 und aus der 40 wird eine 400. Nur die 1 bleibt unverändert. Würde die 1 auch verzehnfacht werden, würden wir das Wort JAMOTH, 10+40+400, erhalten, übersetzt: Er stirbt. Was stirbt, ist aber nur der Körper, und der kommt von der Mutter. Die Mutter ist hebräisch EM, 1+40, also 41. Es gibt in der Mathematik einen Satz, der lautet: Jede Quadratzahl ist darstellbar als eine Summe der ersten ungeraden Zahlen. Zum besseren Verständnis gebe ich drei aufeinander folgende Beispiele:

9 ist die Quadratzahl von 3 (3×3), aber auch die Summe von 1+3+5 (3 ungerade Zahlen). Die 16 ist die Quadratzahl von 4 und die Summe von 1+3+5+7. Die 25 ist die Quadratzahl von 5, aber auch die Summe von 1+3+5+7+9. Usw.

Zählen wir alle ungeraden Zahlen von der 1 bis zur 41 zusammen, gelangen wir zur 441. Die ungeraden Zahlen werden sowohl als Kinder als auch als Antworten auf Widersprüche gesehen (auf These und Antithese folgt die Synthese). Vater und Mutter bilden eine 2-heit, die im Kind münden kann, das dann die 3 ist. Der Wunsch nach Kindern wird damit in Verbindung gebracht. Eigentlich sucht der Mensch nach Antworten und tatsächlich werden ihm solche auch durch die eigenen Kinder gegeben.
Mit dem Erreichen der 41 bildet die Summe der “Antworten” (ungerade Zahlen) das Wort Wahrheit.

Das Herab-Steigen ist um des Hinauf-Steigens willen, heißt es einmal. Generation, DOR (דור), bedeutet Herabsteigen (רדו). Immer geht es noch eine Stufe tiefer. Solange, bis die 441 erreicht ist. Das ist, wenn die Zeit erfüllt ist, sich also die 12 selbst begegnet ist (die “Selbstbegegnung” wird im Quadrieren mit sich selbst ausgedrückt). 12×12 = 144 und das ist die Spiegelung der 441 (144 <> 441). Wenn die Zeit erfüllt ist, wird auch die Wahrheit erkannt.

Eva wagt es, deshalb beginnt mit ihr nicht nur der Weg der Generationen, sondern auch der Abstieg, der mit immer neuen Perspektiven und Manifestationen aufwartet. Es entstehen unzählige Möglichkeiten, das Leben zu erleben. Was wir durch unser Erleben mit dem Ewigen verbinden, bleibt gebunden und steigt mit uns auf. Alles beginnt mit „einem Schritt nach unten“. Sünde, CHETH (חטא), 8+9+1, endet mit der ALEPH, der „1“, die man nicht hört. Nur schriftlich, im formgewordenen Wort, kann man die ALEPH sehen und erkennen, was das Ohr nicht vernimmt.

Auch „schöpfen“, BARA (ברא), 2+200+1 endet mit der „1“. Die ALEPH ist still und schweigt, als ob sie sagen wollte: Vieles kann ADAM, der Mensch nicht ausdrücken, es gibt schlichtweg keine Worte dafür. Und ADAM bedeutet doch nicht nur “Ich gleiche“, sondern auch “Ich schweige“.

Das Schweigen der 18

„Sünde“, erzählt von der 17 + 1, also der 18. Eva ist die EM KOL 18 (CHAJ, 8+10), sie ist die Mutter „aller 18er“, und damit aller „Sünder“, aber CHAJ bedeutet doch „Lebewesen“ …

Im 18. Vers der Bibel ist von einer Distanzierung zwischen Licht und Finsternis die Rede. Es lässt sich nicht in Worte fassen, was tatsächlich im Verborgenen geschieht, drum spielt die 18 auch im Leben Jesu eine Rolle: Es ist die Anzahl der Jahre seines Lebens zwischen seinem 12. und seinem 30. Jahr, über die die Bibel Schweigen bewahrt. Im Hebräischen stammt das Wort BEN (Sohn) vom Verb BONEH, das Bauen bedeutet. Das Erste, was in der Bibel „gebaut“ wird, ist die Frau (Gen. 2:22). Durch sie kommt das Konkrete, das Greifbare in die Welt. Verbindet man das Wort „Mutter“ (אם) mit „tot“ (מת) erhält man das Wort Wahrheit (אמת). Die Bibel selbst verweist in Gen. 24 auf diesen Zusammenhang, denn dort kommt das Wort Wahrheit zum ersten Mal vor. Elieser, der Knecht Abrahams verwendet es, wenn er auf Rivkah (Rebekka) trifft, die Isaak über den Tod seiner Mutter tröstet. 

Das Sterben der Mutter ist „das nicht mehr zugreifen Können“ auf die eigene irdische Herkunft. Solange man seine irdischen Wurzeln betont, ist man von der Wahrheit noch weit weg. Gleichermaßen wie Jesus sagt: „Ich bin vom Himmel herabgekommen“, soll jeder Mensch, der als solcher aus seinem Schlaf erwacht, sagen: Mein Ursprung ist nicht irdischer Art, wenngleich es sich äußerlich so darstellt. Von dort oben her komme ich und dorthin werde ich zurückkehren.

Nachfolgen bedeutet Eins-Sein mit dem Weg

Die so oft betonte Nachfolge im NT ist im Griechischen kein braves Hinterherlaufen, sondern ein „Eins-Sein mit dem Weg“. Das heißt: Genauso wie bei mir, wird es bei dir sein.

Zum Beispiel:

Sie aber verließen sogleich die Netze und folgten ihm nach. (Matth. 4:20)

Hier wird ἀκολουθέω (akolutheo) verwendet, das aus „α“ Eins-Sein (cop. / Zustandsverbindung) + NF (Nomenflexion) κελευθος Weg, gebildet wird. Wörtlich bedeutet es: Einen [gemeinsamen]-Weg haben, das ist denselben Weg gehen.

Sobald du dir deiner wahren Herkunft bewusst wirst, weißt du, dass du als Mensch, im Bild und Gleichnis Gottes, vom Himmel herabgestiegen bist. Deine Mutter hat dir eine Hülle (Körper) gegeben, sodass du hier als Gast einen Weg in Raum und Zeit hast, aber sie ist nicht deine eigentliche Herkunft. Wenn du nur irdisch wärest, hätte dein Leben keine Bedeutung. Jeder Mensch ist wichtig und wertvoll und trägt am Schicksal der Welt mit. Der Zustand des Vergessens oder Leugnens bzw. Nicht-Wahrhaben-Wollens, woher man stammt, ist der Begriff “verloren”, hebr. AVAD, 1+2+4. “Verloren” zählt die 7, deren einziger Sinn darin besteht, auf die 8 überzuleiten. Wenn man die 8 ablehnt, hängt man in der Materie fest. Die Materie ist nicht nur das Sichtbare, sie hat auch eine unsichtbare Seite.

Es gibt einen hebräischen Ausdruck, der auf göttliche Art und Weise in Worte fasst, wie Gott dich sieht: AZUTH PANIM. Das ist das „starke Wesen des Angesichtes“, wodurch Gott sagt: „Du, ja DU bist etwas Besonderes!“ Und weiter: „Sei mutig wie ein Leopard, wenn du den Willen deines Vaters im Himmel erfüllst“ (Pirkei Avot 5:20). 
Wage es wie Eva, denn das “sehr” ist dieser “Schritt nach unten“, für den du kaum Zuspruch von anderen erhalten wirst, der Mut braucht, aber wovon du innerlich wie Eva weißt: Das ist es, dazu bin ich hier.