Im Mutterleib, in der Gebärmutter, hat das Kind keinen eigenen Weg. Es ist in Wartestellung und befindet sich so stets am selben Ort wie seine Trägerin. (Im Griechischen heißt eine Schwangere auch eine „im Leib Tragende“.)
Auf der Entbindungsstation zählen Frauen, die unter normalen Umständen ihr Kind gebären, nicht als klassische Patienten, denn eine Schwangerschaft ist keine Krankheit, obwohl die mit dem Heranwachsen eines neuen Lebens im Körper der Frau einhergehenden Widrigkeiten manchmal nicht von pathologischen Symptomen zu unterscheiden sind.
Die werdende Mutter erwartet keinen Untergang, sondern ist in froher Erwartung ob des Neuen, das geboren werden soll. Alle Probleme, Widrigkeiten und Schmerzen haben eines bewirkt: eine tiefe und innige Beziehung zu dem neuen kleinen Menschen. Eine neue Welt kommt auch nicht auf Knopfdruck oder im Hauruck-Verfahren. Aber wer ist in freudiger Erwartung trotz zunehmender Komplikationen?
Eine Frau, die zum ersten Mal schwanger ist und zum ersten Mal vor einer Entbindung steht, kann Bücher darüber gelesen haben, andere Frauen befragt haben, die es schon erlebt haben, aber trotzdem wird es ein Erlebnis sein, das sie ganz individuell und einmalig in jeder Hinsicht für sich erleben und durchstehen wird.
So erlebt jeder Mensch die Ankunft des Neuen einmalig. Ist er in froher Hoffnung, entledigt er sich nicht des Grundes der Unannehmlichkeiten.
Hypothetisch könnte man sich vorstellen, dass es einen Arzt gibt, der nie etwas davon gehört hat, wie Kinder auf die Welt kommen. Er weiß weder etwas von Schwangerschaften noch von Geburten. Würde sich jetzt eine Schwangere diesem Mediziner vorstellen, weil sie selbst nicht weiß, was mit ihr geschieht, welche Diagnosen würde er bei der Betreuung einer solchen Frau stellen? Was, sie haben keine Blutung mehr, dann sind sie ja unfruchtbar! Ich werde sofort eine geeignete Therapie veranlassen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Befruchtet zu sein bedeutet, für eine gewisse Zeit die Kennzeichen der Fruchtbarkeit zu verlieren. Das ist nicht weit hergeholt, denn wie viele „Diagnosen“ werden derzeit ob der Ereignisse auf der Welt gestellt?
In der Bibel wird ein Beruf hervorgehoben, der sich besonders gut mit der Ankunft einer neuen Welt auskennt, es sind die Hebammen, die im Hebräischen auch die chochmoth (חכמות), Weisen, genannt werden. Bei der Ankunft des Mose werden sie besonders hervorgehoben. Was sie auszeichnet, ist ihre Ruhe während der Begleitung der werdenden Mutter und sogar dann, wenn alle anderen denken: Jetzt geht alles unter!, bleiben sie ruhig und geben die richtigen Ratschläge, um die Geburt bestmöglich vonstattengehen zu lassen. Ihre Hände umfassen das neue Leben als erstes und geben es behutsam der frisch gebackenen Mama, die nun den wahren Grund all ihrer Probleme der letzten Monate zugleich als größtes Glück in Händen hält und auf sich legt. Immer noch hat das Neugeborene keinen eigenen Weg, aber der bislang schwierigste Teil liegt hinter ihm. Jetzt beginnt ein neuer Abschnitt und immer noch ist es dieselbe Mutter, die ihr Kind trägt und nährt – jetzt aber von Angesicht zu Angesicht.