Man kann sich mit fremden Federn schmücken, aber zum Fliegen taugen sie nicht, sagte einmal jemand sinngemäß.
Was uns Flügel verleiht, muss aus uns selbst gewachsen sein. Frisch geschlüpfte Vögel sind selten Schönlinge und Federn sind nur in Ansätzen zu sehen. Von einem Gesang ist zunächst auch nichts zu hören, aber rufen können sie dagegen ziemlich früh. Wenn ihre Zeit gekommen ist, erwacht in ihnen die Neugier und der erste Flug lässt dann nicht mehr lange auf sich warten.
Es schlüpfen keine alten Vögel, die erfahren sind und wissen, wie man fliegt. Immer ist es ein Wagnis, dessen Kosten-Nutzen-Verhältnis zu Ungunsten des jungen Vogels steht. Trotzdem springen sie aus dem Nest und flattern munter mit ihren Flügeln. Der Vogel steht für die Seele, und er gibt uns Einsichten in deren Weg. Es gibt eine Entwicklung bis zu einem gewissen Punkt, doch dann ist es ein volles Wagnis ohne sanften Übergang. Das Kennenlernen der eigenen gegebenen Fähigkeiten ist manchmal mit einem – aus körperlicher Sicht – hohen Risiko verbunden, aber es führt nicht nur in neue Gefilde, sondern lässt schließlich auch den Gesang erklingen, der andere aufmerken lässt.
Von Hühnern heißt es, dass sie intelligent seien, denn nachdem eine Henne ihre Eier ausgebrütet, die Kleinen gewärmt, für sie im Dreck gescharrt und auf ihren ersten Wegen begleitet hat, pickt sie diesen auf den Kopf, wenn sie eine gewisse Größe erreicht haben. „Geh‘ zu deinem eigenen Mist“, legt man der Glucke in den Mund und will damit sagen, dass sie die Jungen anweist, sich ihr eigenes Gebiet zu suchen, das sie sättigen wird. (Nach dem Midrasch Wajikra)