Gleichnis vom Gastmahl (Lukas 14, 16-24)

In diesem Gleichnis spielt neben dem Gastmahl der Begriff „Einladung“ eine besondere Rolle. Alt-Hebräisch wird für einladen lediglich das Wort rufen verwendet, also kara, koph-resch-aleph, in Zahlen: 100-200-1. Auch der griechische Text in Lukas 14 entspricht dem, denn es steht dort antikaleo. Das ist aus anti (gegen, anstatt) und kaleo (rufen, nennen, heißen) zusammengesetzt, kommt so auch nur in diesem Gleichnis vor und wird sprachlich als Rückruf gedeutet. Im Dt. versteht man unter einer Einladung eine meist freundliche Aufforderung bzw. einen Ruf, zu kommen. Der Ruf kommt indirekt über den Knecht.
Die Mahlzeit steht für eine Begegnung im Fließen der Zeit (Mahlzeit, hebr. im rückübersetzten NT mischteh, kommt von schoteh, trinken). Das Kauen ist die Auseinandersetzung, die beim Neugeborenen noch nicht möglich ist. Erst mit den Zähnen können wir das uns Kommende zerkleinern und zermahlen, und in diesem Sinne für uns in Häppchen verfügbar machen. Die Mahlzeit ist ein wichtiges Ereignis, das sich durch die ganze Bibel zieht. Dafür nimmt man sich traditionell Zeit, viel Zeit und ist sich dessen bewusst, dass man das, was die Welt hervorgebracht hat, in sich aufnimmt – es Teil von einem selbst wird. Die Speise wird eins mit uns. Essen ist vielmehr als satt werden oder Genuss. Es möchte uns dabei bewusst werden, dass die Welt durch uns hindurchgeht. Die heutige Welt hat zu sich selbst keine Beziehung mehr. Fast-Food und Food-To-Go, wie es in Neudeutsch heißt, zielen auf das Erreichen des Sättigungsgefühles unter möglichst maximaler Stimulierung der Geschmacksknospen ab. Industrielle Fertigprodukte würde kein Mensch essen, wenn nicht gleichzeitig eine Manipulation des Geschmacksinnes stattfinden würde. Ferrero bspw. spricht von einer „Erziehung“ des Geschmacks- und Geruchssinnes (http://www.haz.de/Nachrichten/Wirtschaft/Deutschland-Welt/Ferrero-sucht-Nutella-Tester). Letztlich zeigt sich alles bis ins Äußerste, wenn auch in einer gewissen Verzerrung.

Lu 14,16: Er aber sprach zu ihm: Ein gewisser Mensch machte ein großes Gastmahl und lud viele.

Ein gewisser Mensch… das ist der Mensch, das sind wir selbst von unserem Ursprung her. Das Gastmahl bedeutet: Es ist alles da, oder: Es ist vollbracht, du brauchst nichts bringen, es ist für alle und alles gesorgt! Wir haben eine Instanz in uns, die „weiß“, dass es keinen Mangel gibt. Eine Instanz, die sich gerne teilt, mitteilt, austeilt, sich verschenkt. Eingeladen sind jedoch zunächst nicht alle Bereiche unseres Lebens, die sich z.T. als eigenständige Aspekte darstellen bzw. einen eigenen Charakter haben. Wir selbst suchen in der zeitlichen Begegnung (Mahlzeit) in erster Linie das, worauf wir uns gerne etwas einbilden. In unserer Erzählung sind das sogar „viele“.

Lu 14,17: Und er sandte seinen Knecht zur Stunde des Gastmahls aus, um den Geladenen zu sagen: Kommt, denn schon ist [alles] bereit.

Ein Knecht dient, folgt seinem Herrn, ist treu und wirkt zum Besten des Ganzen. Auf uns bezogen will das sagen, dass uns treue Diener zur Verfügung stehen. Unsere Träume, Wünsche, Gedanken, Intentionen – wie man es auch nennt – setzen etwas (jemand) in Gang. Es kommt in unserem Leben etwas in Bewegung. Alles, was unser Leben (aus unserer Sicht) ausmacht, wird eingeladen. Der „gewisse Mensch“ meint, dass nur die ehrbaren Momente seines Lebens es wert sind, eingeladen zu werden. Es kommt zu einem Dialog in uns. Was ist mir wichtig? Letztlich sucht jeder Mensch für sich selbst stets das Beisammensein von allem, was ihn ausmacht. Findet er es nicht bei sich selbst, sucht er im Außen nach Menschen, die ihn bestätigen, bestärken und unterstützen. Das kann eine Zeitlang funktionieren. Früher oder später muss er aber einsehen, dass er vor sich selbst weggelaufen ist.
In unserem Gleichnis läuft der „gewisse Mensch“ nicht vor sich weg. Er lädt ein. Kommt alle!(?) – Nein, nicht alle, zunächst nicht, sondern nur die, auf deren Gesellschaft er stolz ist. Also die, die etwas gelten. Die man in einem Lebenslauf erwähnen würde. Aber diese suchen kein gemeinsames Mahl, wo man bedient wird. Diese sind Selbstläufer, quasi Abgeschnittene.

Lu 14,18: Und sie fingen alle ohne Ausnahme an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn mir ansehen; ich bitte dich, halte mich für entschuldigt.

„Ohne Ausnahme“, wie hier die Elberfelder Bibel etwas eigensinnig übersetzt, lautet im Grundtext einstimmig (in der hebr. Rückübersetzung steht päh echad, Mund einer). Die im Gleichnis folgenden Rechtfertigungen sind im Grunde alle der gleichen Wurzel entstammend. Sie tragen den gleichen Charakter von Kaufen und Verkaufen. Man hat einen Acker erworben. Auf dem Acker herrscht das Prinzip von Säen und Ernten, also Ursache und Wirkung. Das bedeutet: Ich mache etwas und dafür kommt mir etwas. Das ist typisch für die ägyptische Gesinnung, wo man auch so denken muss. Dort funktioniert es nicht anders. Nach dem Auszug aus Ägypten gibt es in der Wüste kein Säen und Ernten mehr. Gott sendet das Manna – einfach so!

Die Ackerkäufer im Gleichnis müssen hinausgehen. Das ist eine kleine aber sehr wichtige Mitteilung: Wenn man nach Ursache und Wirkung handelt muss man hinaus. Hinaus in die Außenwelt, wo Kampf und Enttäuschung herrschen. Wo man auch das Wort nur noch äußerlich versteht. Es gibt keinen Zugang mehr zur Innenwelt des Wortes. Man ist im wahrsten Sinne des Wortes zu. Es gilt dann auch im ganzen Leben das „Müssen“. Der Käufer will den Acker „sehen“. Das gr. Wort eido bedeutet auch „Wissen“. Diese Verknüpfug finden wir schon beim Baum des Wissens:

Und die Frau sah, dass der Baum gut zur Speise und dass er eine Lust für die Augen (…) wäre (1. Mose 3:6)

Der Teil in uns, der stolz darauf ist, dass er leistet, möchte nicht beschenkt werden, kann nicht annehmen, nimmt im Weiteren nicht am großen Mahl teil. Er weiß auch nichts vom Geheimnis der Quelle, aus der das Leben umsonst sprudelt.

Lu 14,19: Und ein anderer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft, und ich gehe hin, um sie zu erproben; ich bitte dich, halte mich für entschuldigt.

Der Ochse steht für die diesseitige Kraft, die sich oft in Form von Aggression zeigt. Heute würde man vielleicht von Durchsetzungskraft sprechen. Es ist auch die triebhafte Potenz, die andere um des eigenen Vorteils willen zwingt. Das Joch ist im Hebräischen „ol“. Dieses Wort ist der Stamm des Wortes „olam“, das zugleich ewig als auch Welt bedeutet. Unser aggressiver Teil, der sich gerne behauptet und durchsetzt, freut sich nicht über ein Beschenkt-Werden am Tische wo alles gratis ist. Er will es selbst ausrichten. Wesentlich für diese Gesinnung ist das „Erproben“ („ich gehe hin, um sie zu erproben“). Gerne präsentiert man die eigene Kraft, wenn sie erprobt ist und sich damit bewährt hat. Dann „weiß“ man, dass es funktioniert, und Wissen erzeugt Sicherheit. Diese sucht man in Ägypten mit großer Intensität. Deshalb werden nur hier Kornspeicher für eine sichere Zukunft gebaut. Unsere ganze westliche Welt ist geprägt durch Angst vor der Zukunft. So sucht man hier nach Wegen, dieser Angst durch vermeintliche Sicherheiten (z.B. Versicherungen) zu entkommen. Einerseits sichern Versicherungen bestimmte Bereiche unseres Lebens, andererseits fordern sie Tribut. Auch hier gilt das Geschäftsprinzip. Und wieder: Der Tisch ist bereits gedeckt. Es ist schon alles da.

Lu 14,20: Und ein anderer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet, und darum kann ich nicht kommen.

Die Frau steht für die äußere materielle Welt. In diesem Falle reicht dem Angesprochenen die einseitige Verbindung zu der materiellen Welt. „Sie hat doch so viel zu bieten. Sie wird mich und meine Bedürfnisse mehr als sättigen“, so der Trugschluss. Menschen, die in dieser Welt, losgelöst von deren Verbindung zur unsichtbaren Welt, ihr vermeintliches Glück finden, verachten den Tisch, wo von der anderen Seite, vom Jenseitigen her, umsonst, gratis, aus Gnade, gedeckt wird. Sie „können nicht“ heißt es im Text. Ein Satz, den man oft hört: Ich kann (doch) nicht. Dieser „andere“ hat die Frau geheiratet. Von Liebe ist keine Rede. Die Verbindung zur Welt ist in diesem Fall dergestalt, dass man „nicht mehr kann“. ‚Alle drei sich entschuldigenden Eingeladenen haben mit Säen und Ernten zu tun. Der Erste kauft einen Acker, also die Vorbedingung für das Aufnehmen der Saat. Der Zweite kauft fünf Joch Ochsen (auf die Zahlen möchte ich hier nicht näher eingehen), die imstande sind, den Ackerboden auf- und umzubrechen, sodass der Same hineinfallen kann. Der Dritte nimmt eine Frau, was im Sprachgebrauch der Bibel gleichbedeutend ist mit einer Befruchtung. Wir können nachstehende Reihenfolge erkennen:

1. Grundlage, Basis, geeignete Ausgangssituation erwerben
(Intension: Ich will sehen und wissen)

2. Zielgerichtete Bearbeitung derselben durch erworbene Kräfte
(Intension: Ich will prüfen / beweisen, dass es funktioniert)

3. Hineingeben des Samens / Einwerdung mit der Welt um Nutzens willen (Intension: Sie gehört mir)

Der dritte Abschnitt gilt dann nicht mehr dem Acker und seiner Bearbeitung, sondern der Welt als Ganzes (die Frau), die man „nimmt“ (hebr. lakach). Das für „heiraten“ verwendete Wort (gameo) hängt auch mit gr. gínomai zusammen, das „werden“ bedeutet. Es ist das vom Sein losgelöste Werden, das das berühmte „ihr werdet sein wie Gott“ (1. Mose 3,5) als Lockmittel einsetzt. Ferner finden wir im Deutschen einen weiteren Zusammenhang in Bezug auf den Begriff „nehmen“, wie bspw. Schlachter den Begriff gameo in seiner Übersetzung wiedergibt („Ich habe eine Frau genommen“). Nehmen bedeutet von seiner indogermanischen Wurzel her „sich selbst zuteilen“. Das Wort Vernunft stammt von nehmen. Vernünftig sein heißt, seiner Wahr-Nehmung entsprechend handelnd. Und das ist der Punkt. Die eigene Wahrnehmung zeigt uns nur ein Fragment des Ganzen. Nach diesen Fragmenten zu handeln und zu leben äußert sich durch ein „nicht können“ – der diesseitig orientierte Mensch aber nennt ein solches Handeln vernünftig. Es ist so nicht mehr möglich, zum Baum des Lebens zu gelangen. Man ist dann abgeschnitten. Eine ernste Sache. Man nimmt die Welt durch seine Sinne wahr und verbindet sich nur auf einseitige Art mit ihr. Dass diese sichtbare Welt das Geheimnis der unsichtbaren trägt, zeigt sich nur im Ahnen, Glauben und Vertrauen. Das ist die Beziehung ohne Lohn, die nur aus Liebe bestehen kann. Niemals kann man es wissen! Niemals Gott beweisen!

Lu 14,21: Und der Knecht kam herbei und berichtete dies seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und bring die Armen und Krüppel und Blinden und Lahmen hier herein.

Zorn darf man hier nicht im menschlichen Sinne verstehen. Es ist vielmehr die Enttäuschung auf die nicht erwiderte Liebe. In den Bereichen wo wir unser Leben nach Geschäftsprinzipien leben, erfahren wir keine Liebe. Doch nur aus dieser quillt das Leben und die damit einhergehende Freude des Jenseitigen.
Nun kommt eine ganz typische Mitteilung für den Charakter der Erlösung: das Eilen. „Geh‘ schnell hinaus!“ Eilen will sagen, dass die Zeit aufgehoben wird. Der Superlativ der Eile wäre das „Es ist JETZT da. Du brauchst nicht zu warten.“ Die Einladung geht nun an bzw. in alle besonderen Bereiche unseres Lebens; speziell an die, derer wir uns eher schämen. Die im Grundtext verwendeten Begriffe drücken Extreme eines Weges aus. Eigentlich müsste „breite Straße“ und „enge Gasse“ übersetzt werden. In einer engen Gasse wird man bei jedem Durchschreiten mit den Bedürftigen konfrontiert, wohingegen bei einer breiten Straße diese schnell übersehen werden. Wir haben Schwächen, von denen wir gar nicht wissen, die wir nicht als solche bemerken. Über andere hingegen stolpern wir fast täglich und regen uns vielleicht darüber auf. Interessanterweise kennt der „gewisse Mensch“ (der jetzt plötzlich „Herr“ genannt wird) die Orte, wo diese Armen zu finden sind. Der Ruf (die Einladung) drückt aus: Ihr gehört hierher an meinen Tisch. Ihr sollt nicht mehr ausgeschlossen werden. So spricht nur ein Mensch, der eine Umkehr bei sich erlebt hat.
Keine Stadt hat die in diesem Vers genannte Personengruppe als Aushängeschild. Vielmehr rühmt man sich der Menschen, die Großes erreicht haben. „Hier lebte einst der große XY…“ Für Bettler und Krüppel gibt es keine Gedenktafeln. Es sind die Bereiche unseres Lebens, von denen wir sagen: Was will ich damit. Das schränkt mich nur ein. Damit komme ich nicht weiter. Wenn ich das nicht (erlebt) hätte, dann … Genau diese finden den Weg an den großen Tisch im Haus des Herrn. Treffend sagt Paulus dazu in 1. Kor 15,43: Es wird gesät in Unehre, es wird auferweckt in Herrlichkeit; es wird gesät in Schwachheit, es wird auferweckt in Kraft; oder in 2. Kor 11,30: Wenn ich mich rühmen soll, so will ich mich meiner Schwachheit rühmen. Das gr. Wort für Schwachheit (astheneia) bedeutet wörtlich „Mangel an Stärke oder Lebensenergie, Instabilität.“ Auch Hebr 11,34 weiß von der Kraft der Umkehrung: (…), aus <der> Schwachheit Kraft gewannen, (…)

Das Schwache erhält Zugang zum Tisch. Was bei uns selbst nur geringen Wert hat, ist die Eintrittskarte zur Gemeinschaft mit dem Jenseitigen. Das Geachtete und Angesehene bleibt außen vor. Es achtet das Jenseitige nicht, sondern investiert weiter in das Wachstum des Diesseitigen. Sind unsere „Handicaps“ in Wirklichkeit unser Zugang zum (ewigen) Leben? Ist ein schweres Schicksal zugleich die größte Chance? Das Gleichnis beantwortet diese Frage sehr deutlich. Man wird also nicht angenommen trotz, sondern wegen der Schwachheit. Dadurch entsteht etwas ganz Bedeutsames: Eine auf Dankbarkeit gegründete Beziehung! Unsere Anteile, die wir in einer Autobiographie nicht gerne erwähnen würden, sind die, die zur Einheit des Seins gerufen werden. Der Verdienst ist ausgeschlossen. Man erlebt das Wunder bei sich selbst in Bescheidenheit.

Lu 14,22: Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast, und es ist noch Raum.

… es ist geschehen, was du befohlen hast“ – die Dinge kommen in unser Leben, wie es befohlen wurde. Es wird gesendet. Aus dem „gewissen Mensch“, der seine Vorteile sucht, wird „der Herr“, der aus der anderen Welt im Menschen ruft – und es kommt! Gottes Möglichkeiten sind nicht begrenzt. Wir können mit allen unseren Gebrechen und Beschränktheiten kommen. Grenzen gibt es nur in der materiellen Welt. Im Ewigen ist stets „noch Raum“. Hebr. ist Raum das Wort makom, 40-100-6-40, in der Summe 186. Das ist der gleiche Wert wie der erfüllte Gottesname JHWH: Die erzählte Erfüllung des Gottesnamens JHWH (in Zahlen 10-5-6-5) = 10×10 + 5×5 + 6×6 + 5×5 = 100+25+36+25 = 186 [unter „Erfüllung“ versteht man das mit sich selbst Multiplizieren – es ist die Begegnung mit sich selbst]. Mit anderen Worten: Gottes Raum beinhaltet gleichzeitig die Begegnung mit dem Gott in der weiblichen Eigenschaft der Gnade und Barmherzigkeit. Der unaussprechliche Gottesname JHWH wird doch in der zweiten Schöpfungsgeschichte erstmals genannt. Vorher steht für Gott im Grundtext Elohim. Die kaufmännische Personengruppe muss auf dieses Angebot ablehnend reagieren, weil der Kaufman und der Liebende nicht zusammenkommen können.
186 ist auch der volle Wert des Zeichens Koph, 100-6-80 (das 19. Zeichen im hebr. Alphabet), das die Bedeutung „Nadelöhr“ hat. Beeindruckend, wie das hebr. Alphabet mit den Erzählungen des NT korreliert! Wir sehen hier auf einem anderen Niveau die Unmöglichkeit eines Hineinkommens in das Haus für den Reichen und alles, was damit verbunden ist, bei uns selbst. Der „Nicht-Reiche“ dagegen wird regelrecht gezwungen, wie es im folgenden Vers zum Ausdruck kommt:

Lu 14,23: Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Wege und <an die> Zäune und nötige <sie> hereinzukommen, damit mein Haus voll werde;

Die Armen sind stets auf und an den Wegen. Wohin soll ich gehen? Man ist bereit, seinen Ort zu ändern, seinen Standpunkt zu ändern, zu ver-STEHEN, wenn man sich arm erkennt. Der Reiche ist immer der Sesshafte, der Städter, der von seinem Zentrum ausgehend noch weiter nach außen vereinnahmen will, ohne seinen inneren Standpunkt zu verlassen. Die Zäune sind die Grenze. Man ist bei einem Zaun kurz vor einem Durchbruch, ähnlich wie Zachäus, dem Zöllner, der die Grenzen bewacht und kontrolliert, dann aber die selbstgemachte (oder selbst geglaubte) Grenze überschreitet bzw. sie für ungültig erklärt. Erlösung hat stets mit einem Grenzdurchbruch zu tun. „Nötige sie“ will sagen, dass es manchmal eines gewissen Ruckes braucht, um in Bewegung gesetzt zu werden. Das griechische Wort meint sogar den Zwang. Es wird immer enger im Leben, bis es keine Alternative mehr gibt. Schwierige Ereignisse, Unfälle, Schicksalsschläge wollen uns letztlich zum Tisch des Herrn bringen, um uns aus der wirklichen Not zu befreien.

Lu 14,24: denn ich sage euch, dass keiner jener Männer, die geladen waren, mein Gastmahl schmecken wird.

… keiner jener Männer…“ Warum nur die Männer? Natürlich geht es in einem heiligen Text nicht um eine Bedienungsanleitung für unser diesseitiges Leben. Es geht auch nicht um ein äußeres Israel und die sogenannten Heiden. Es geht um dich und mich bzw. unsere Männer, dem hebr. Worte nach also um unser Inneres. Beide Bewegungen sind in uns selbst da: nach außen und nach innen. Nach außen wird man getrieben; nach innen gezogen bzw. eingeladen. Die Kaufleute werden aus dem Tempel getrieben. Wer aggressiv zwingen will, also ins Jenseitige mit Techniken und Methoden eindringen will, muss scheitern. Ebenso alle, die diese erscheinende Welt ehelichen und dadurch zeigen, dass sie das Achte, das Erlösende, das im Hebräischen mit dem Wort Hochzeit zusammenhängt, durch die angesehenen Attribute dieser Welt meinen erreichen zu können.
Indem wir als Menschen die Bedeutung jedes Augenblickes erkennen und achten, kann sich in jeder Begegnung etwas öffnen, wodurch das Ewige bei uns selbst erfahrbar wird. Werden wir uns selbst gegenüber skeptisch, wenn wir anfangen, uns gegenüber uns selbst zu rechtfertigen, denn letztlich ist Selbstrechtfertigung identisch mit Selbstanklage. Jeder Mensch trägt das alles in sich. Bei den einen ist es mehr, bei den anderen weniger verschüttet; aber es ist da.

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Autor: Dieter Miunske