Gott freut sich über dein Nein

image_pdfPDFimage_printDrucken

Friedrich Weinreb in Das Buch Jonah

Ohne »ra«, 200-70, das Böse, gibt es die Welt nicht, und man hätte auch nicht die Möglichkeit, den Weg zu gehen, sich Gott zu nahen. Aber warum muss das »ra« sich so äußern? Damit der Mensch auf seinem Weg, der eine Rückkehr ist, stets deutlicher einsieht, dass das Böse nur da ist, um ihn der Versuchung gegenüber doch sagen zu lassen: »Nein, die Sorge um das Materielle als Inbegriff des Tagewerks und das gesellschaftliche Ansehen als Ideal, das ist nicht der Sinn des Lebens.
Das leibliche Wohlbefinden und das darauf gerichtete Studium von Biologie, Pathologie, Chemie usw. ist es ebenso wenig. Denn was kommt danach? Und die trügerische Ruhe, die Befriedigung, die darin liegt, dass der Bürger brav ist, kein unliebsames Aufsehen erregt, nicht lästert und nicht stiehlt, weder lügt noch sich der Eifersucht hingibt, kann nicht das letzte Ziel des außerordentlichen Dramas der Welt sein.« Wenn der Mensch sich dieser Erkenntnis öffnet, dann ist damit die Erlösung für das sich von Gott Entfernende eingeleitet, denn dann ist es immer der Augenblick, wo es endgültig zu entgleiten droht.
Der Mensch entwindet sich der Bevormundung von Ökonomen, Biologen, Medizinern, Theologen und Psychologen. Ihr atemloses Bemühen wird gegenstandslos; denn der Mensch ist mit dem Wesentlichen in Berührung gekommen. Gegen die öffentliche Meinung hat er Nein gesagt. Er hat kehrt gemacht gegen die Masse, gegen die Götter der Vielheit und der blinden Entwicklung. Und damit hat er all das an sich gebunden, nimmt es mit auf den Weg zurück zu Gott. Es geschieht, was dem Propheten Hesekiel (Kap. 37) geboten wird zu tun: Der Mensch füge das Holz Josephs an das Holz Judas, so dass sie zur Einheit werden, einer Einheit, die auch bezeichnet wird als »Baum, der Frucht ist und Frucht macht.« Denn all die menschliche Betriebsamkeit in den öffentlichen Dingen, in Industrie und Handel, Ökonomie und Sport, Heilkunde, Psychologie und Theologie, Physik und Astronomie ist unwiderstehlich für alle, die in ihre Arme fallen. All diese Dinge wirken berauschend und nähren schöne Träume.
Die materielle Welt steht aber auf ihrem Fundament und kann ohne sie nicht dauern. Unablässig muss ihnen gedient werden. Für sich besehen aber sind die bloß der »Baum der Frucht macht« (Baum der Erkenntnis). Ohne Verbindung mit dem Wesentlichen laufen sie bloß auf Tod heraus, auf Pessimismus und stoisches Tun, auf Lügen, Grausamkeit und Krieg. Sie zeigen dann an, was dies bedeutet: die Verlassenheit der Schechinah, der Herrlichkeit Gottes in der Welt, in der Verbannung. Je mehr man in den Errungenschaften von Wissenschaft und Technik schwelgt, desto tiefer ist ihr Leiden. Sie wartet auf das Nein, und jedes Nein eines einzelnen Menschen ist für sie eine Freude. Denn dazu ist die Welt geschaffen, dass sie sich aus der Erstarrung der Gefangenschaft löse und die Freude der Rückkehr erlebe. Darin erfüllt sich erst das von jedem Geschöpf erhoffte Glück. Es wird in dieser Welt nur von den Einzelnen erkannt, die um diesen Weg wissen, und sie segnen daher die Schöpfung, weil sie ihnen die Möglichkeit der Erlösung bietet. Dann steht man dem Blühen und Versamen ganz anders gegenüber, geht einem eine andere Bedeutung von Gesundheit, Krankheit und Tod auf. Dann bieten – vom »Baum der Frucht ist und Frucht macht« aus – die Sterne, die Menschheitsgeschichte, die Meere, menschliches Weben und Streben, einen anderen Anblick. Dann beginnt man die Natur bis in ihre feinste Bedeutung zu würdigen – ganz anders als diejenigen, welche die Natur aus selbstsüchtigen Motiven erforschen und zu einem Mittel entwürdigen, um den menschlichen Luxus ins Ungemessene zu steigern.