Es gibt Menschen, die von grundlosem Hass getrieben sind. Bei den kleinsten Dingen brausen sie auf und ihr Blutdruck schnellt in die Höhe. Weil sie gelernt haben, dass ein solches Verhalten oft als Schwäche angesehen wird, zügeln sie sich selbst, wodurch aus dem unterdrückten Hass ein Schwelbrand wird, der sein selbstzerstörerisches Werk schleichend verrichtet. Sie nennen es dann Selbstdisziplin.
Das Problem hierbei ist, dass diese Form der Disziplin wie ein Muskel ist, der mit der Zeit ermüdet, und dann kann aus dem Schwelbrand eine unkontrollierte Explosion werden, die alle Beteiligten in große Verwunderung stürzt.
Diesen Zusammenhang zeigt die hebr. Sprache mit den beiden Wörtern mastéma (משטמה), Hass, Gehässigkeit, Anfeindung [s. Hos. 9:7] und mischtar (משטר), Ordnung, Disziplin [s. Hiob 38:33].
In Hiob 38 ff. konfrontiert Gott Hiob mit dem Grund für diesen Hass (zusammenfassend):
Denkst du etwa, dass du alles gemacht hast und alles lenkst? Was denkst du eigentlich, wer du bist? Wer ich bin? Hiob, antworte darauf!
Es folgt eine ganze Salve von Fragen, die zum Ziel haben, den Hass in Hiob endgültig zu verbrennen. In keinem anderen Buch der Bibel kommt das Fragewort „Wer?“ (מי) so häufig vor wie im Buch Hiob. Und dort bildet Kapitel 38 die Spitze. Hiobs falsches Selbstbild, das seine Wurzeln in seinem verzerrten Gottesbild hat, wird hier förmlich zertrümmert. Hiob 38 beginnt damit, dass Gott Hiob „aus dem Sturm“ antwortet, es ist seine eigene ungestüme, aufbrausende Art, in der Hiob heimgesucht wird. Vorbei ist es mit der Selbstdisziplin und der Beherrschtheit – jede Maske fällt irgendwann. In Kapitel 40:2 nennt Gott Hiob einen Riv (ריב), das ist jemand, der gerne streitet und damit andere belastet. Unbeherrschtes Schreien sind dessen „Argumente“, aber tatsächlich holt etwas in ihm aus einer unteren Schublade in diesem Moment eine offene Rechnung hervor, für die er gerne andere verantwortlich machen will.
Es hilft alles nichts, solange wir der inneren Auseinandersetzung aus dem Weg gehen, werden wir selbst und die Menschen, mit denen wir zu tun haben, darunter leiden. Nach dem Durchlaufen einer Läuterung aber werden solche Menschen zu einer Quelle frischen Wassers, woran sich die Seelen vieler erquicken können.