Im Lieblichen offenbart sich die Seele

Der Mensch bekommt zu Beginn nur zwei Aufgaben: Er soll den Garten, in welchen er „gesetzt“ wurde, bearbeiten und bewahren. Es liest sich so, als ob der Ur-Mensch eine Art Gärtner gewesen sein müsste, und dieser das Ideal darstellen würde. Der Mensch, ADAM (אדם), wird jedoch nicht eved adamah, also „Bearbeiter oder Diener der Erde“ genannt. Erst Kain bekommt diesen Titel (Gen. 4:2). Zunächst wird der Mensch, der hier noch eine Einheit aus Mann und Frau ist, im Garten Eden „zur Ruhe gebracht“, wie es eigentlich heißt. Warum wird er nicht im Paradies geschaffen? Weil er dann keine Wertschätzung für seinen neuen Ort gehabt hätte, heißt es, denn worein man geboren ist, das achtet man alles als selbstverständlich. Das setzt bei dem ersten Menschen voraus, dass er schon etwas erlebt hatte, wodurch er einen Unterschied erkennen konnte. Wenn wir Gen. 2:15 lesen, fällt auf, dass es keinen gesprochenen Auftrag zum Bearbeiten und Bewahren gibt:

Und JHWH Elohim nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren.

Wir erfahren gleich, weshalb es keinen Imperativ gibt. Der Garten (גן) findet sich in der Bibel in der Mehrzahl sowohl männlich (גנים) als auch weiblich (גנות). Hier an dieser Stelle steht er jedoch alleine und ist maskulin. Die beiden Verben bebauen (עבדה) und bewahren (שמרה) sind gleichwohl in Vers 15 eindeutig weiblich. Für die männliche Form müssten die Wörter auf eine Waw (ו) enden, sie enden aber auf eine He (ה). Das Tun ist damit ganz klar auf etwas Weibliches bezogen, wodurch der Gärtner in der Art, wie wir ihn kennen, auf wackligem Boden steht. Es geht also weder um ein äußerliches Bebauen der Erde noch um ein äußerliches Bewahren im Sinne einer Abgrenzung gegen andere.

Es gibt eine Reihe von Kommentaren dazu, die ich hier kurz zusammenfassend darstelle. Der Garten Eden wird auch Olam HaNischmoth genannt, also „Welt der Seelen“. Mit der „späteren“ Vertreibung des in Mann und Frau geteilten Menschen bleiben die Seelen dort ohne Körper zurück. Zunächst aber ist dort der Mensch eine absolute Einheit und Harmonie aus Geist, Seele und Körper. In diesem Zustand braucht es keinen Imperativ, niemand muss Befehle erteilen, wenn ein Mensch in Harmonie lebt. Es tut sich dann von selbst. Erst wenn das Gleichgewicht kippt, kommt es zu Ausgleichsbewegungen, die sich durch Be- oder Entlastungen im Leben zeigen. Das hebräische Eden (עדן) bedeutet, je nach Aussprache, auch verfeinern, veredeln, verwöhnen und verzärteln.

Was im Garten Eden, in der Welt der Seelen, wächst, wird durch das Ewige veredelt und bekommt dadurch einen sehr lieblichen Charakter. Wenn der Mensch ohne Berechnung, ohne dass ihm jemand ständig hinterherlaufen oder ihn gar treten muss, ganz von sich aus handelt, weil er der stillen Stimme der Seele Gehör schenkt, wird sein Tun etwas vom Glanz des Unvergänglichen bekommen.
Es heißt auch, dass es im Garten Eden keine Fliegen oder sonstiges Ungeziefer gab. Lieblichkeit und Wonne umgibt den, dessen Geist, Seele und Leib ganz und ohne jeglichen Vorwurf bewahrt wird (1. Thess. 5:23). Worin? Im Achten, im Messias.

Friedrich Weinreb sagt dazu: Das Wort Eden impliziert in seiner Wurzel „ed“, das Ewige in der Zeit. „Ed“ ist schließlich ein Ausdruck für Zeit, der mit der ‚Schluss-Nun‘ geschlossen tatsächlich die Einheit, das Ewige in der Zeit darstellt.

Die drei Zeichen des Wortes kann man auch als das Wissen (דע) gebunden an die 50 (ן) lesen, somit ist es das Wissen, das seine Wurzeln nicht in der Wahrnehmung hat, sondern im Zustand der Salbung mitkommt, sich also mit dem Leben verbindet und bezeugt werden kann. Ed (עד), ist auch ein Zeuge.
Daraus ergibt sich, dass man den Baum der Erkenntnis Gott überlässt, weil nur ihm das wahre Urteil zusteht. Das richtige Bebauen und Hüten ist immer auf das Unvergängliche ausgerichtet und geschieht nie auf Kosten der Seele. Die beiden He (ה) sollen den Menschen an die beiden He im Namen Gottes (יהוה) in der Eigenschaft der Barmherzigkeit erinnern, die gerne verwöhnt und das Beste gönnt.
Die Seele interessiert sich gleichwie die Vögel nicht für das Säen und Ernten eines Ackermannes (Matth. 6:26). Sie bezieht ihre Nahrung vom himmlischen Vater, der auch den Garten Eden pflanzte (Gen. 2:8).