und Israel sprach zu Josef: Nun kann ich sterben, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, dass du noch lebst! (Gen. 46:30)
Nach 22 Jahren sieht der Vater seinen verloren geglaubten Sohn wieder. Erst heißt er Jakob, dann – nach dem Kampf – Israel, und wenn er aufgrund einer falsch interpretierten Botschaft davon überzeugt ist, dass sein Sohn Josef verstorben ist, heißt er wieder Jakob. Erst wenn es erneut zur Konfrontation mit seinem „Ur-Trauma“, ausgelöst durch seine Söhne, kommt, wird er wieder Israel genannt, und als solcher ist er auch bereit zu sterben. Die Trennung von Josef kommt, wenn der Name Israel zum 12. Mal in der Bibel genannt wird. Wenn der Name zum 13. Mal vorkommt, ist es nicht beim Wiedersehen zw. Vater und Sohn, sondern mit dem Aufkommen des Hungers, der das Wiedersehen einleitet.
Über den erlittenen Verlust kommt, als ob es nicht schon genug zu leiden gäbe, obendrein eine ganz praktische Existenznot, die zu Handlungen zwingt, die man sonst noch nicht einmal in Erwägung gezogen hätte. Zwischen der 12. und der 13. Nennung des Namens Israel liegen fast genau 2200 Wörter im Original der Thora. Sie zeigt hier wieder nachdrücklich, dass der Übergang vom Zeitlichen ins Ewige während des Weges keine Kleinigkeit ist.
Jetzt könnte man denken: Endlich ist er wieder der alte Israel! Ende gut, alles gut.
Lesen wir den Vers, in welchem Israel stirbt, finden wir jedoch, dass nicht Israel, sondern Jakob stirbt, obwohl Israel sagte, dass er nun sterben kann.
Und als Jakob vollendet hatte, seinen Söhnen das Wichtigste mitzugeben, zog er seine Füße auf das Bett herauf und verschied und wurde versammelt zu seinen Völkern. (Gen. 49:33)
Die Erklärung dafür ist Jakobs Name, der das Wort עקב, Ferse oder Alternative, enthält. Wenn Jakob stirbt, wird ausdrücklich erwähnt, dass er seine Beine zum Bett hochzieht und dann stirbt. Das Entfernen der Beine von der Erde wird mit dem Sterben in Verbindung gebracht. Durch die Füße kann der Mensch auf der Erde stehen und seinen Weg gehen. Sie sind die Basis seiner Aufrichtigkeit.
Diese Basis ist der Körper, das Tier, das durch das innewohnende Wesen, die Seele, belebt wird. Sobald diesem Körper die Möglichkeit des direkten Kontaktes mit der Welt genommen wird, schwebt die Seele sozusagen über der Erde und hat keine Möglichkeit mehr, sichtbar auf der Erde zu erscheinen. Der Bereich des menschlichen Körpers, der am stärksten mit dem Tier verbunden ist, ist der Bereich unterhalb der Gürtellinie. Von Ausscheidung und Fortpflanzung abgesehen finden wir in dieser Region den Übergang von der 1 des Rumpfes in die 2-heit der Beine und der Füße. Diese Körperteile haben nichts typisch Menschliches mehr.
Unsere Hände haben noch den Daumen, der den Fingern gegenübersteht. In der Handlung zeigt sich markant die Abhängigkeit der 4 von der 1. Ohne den Daumen sind die Möglichkeiten der Hand deutlich eingeschränkt.
Die Füße haben dies nicht. Der große Zeh steht den anderen 4 Zehen nicht gegenüber, sondern ist in der gleichen Richtung angeordnet. Auch stehen die Füße in ständigem Kontakt mit der Erde, wie es auch bei den Tieren der Fall ist, während unsere Hände, genau im Gegensatz zu den Tieren, fast immer von der Erde entfernt sind. In ihrem Wesen sind also die Füße das, was am stärksten den Charakter des Körpers, des Tieres, des Erdverbundenen und damit auch den Charakter des Todes in sich trägt.
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Fuß (רגל) und der Zeit. In der 4. Welt, die der 4. Toldoth entspricht, sind es vom Verkauf Josefs nach Ägypten bis zur Offenbarung am Sinai 233 Jahre. Der Verkauf Josefs entspricht dem Eintritt des Menschen in die Welt. Der Baum des Lebens hat auch denselben Zahlenwert wie ein Fuß (233), doch der Mensch läuft auf zwei Füßen. Er hat also eine 233 mit einem linken Charakter und eine mit dem rechten Charakter, die einander gespiegelt nebeneinander angeordnet sind. Tiere laufen auf 4 Füßen, wodurch sie mit dem Baum der Erkenntnis in Verbindung stehen, der 4 x 233 zählt (932). Dort begegnet der Mensch auch einem Tier (נחש), das zu Beginn, der Legende nach, noch 4 Füße hat, die ihm später genommen werden („auf deinem Bauch sollst du kriechen“).
Der Mensch zeigt seine Beziehung zum Baum des Lebens, wenn er mit großer Ehrfurcht und Respekt mit geschlossenen Füßen so dasteht, als ob er nur einen großen Fuß hätte. In dieser Art steht der Mensch den Engeln gleich, die vor Gott stehen.
„Beim Gebet soll der Mensch seine Füße zusammensetzen, damit er einem Engel gleiche, von dem gesagt wird: ‚ihre Füße waren ein gerader Fuß‘
(Hes. 1:7).“ (Schulchan Aruch, Orach Chajim 95:1)
(ורגליהם רגל ישרה)
Beim Gehen des Weges verlassen die Füße diese „1-Stellung“ und alternieren zwischen links und rechts. Wenn der Weg gegangen ist, werden die Füße wie bei Jakob schließlich „hochgezogen“. Dessen soll sich der Mensch jedes Mal eingedenk sein, wenn er sich zu Bett legt. Der Schlaf gilt als 1/60 des Todes. In dieser Vollendung heißt das Hinübergehen nicht sterben (מות), sondern „ohne Leiden sanft aus der sichtbaren Welt scheiden“ (גוע). Zuvor heißt es noch
Und Israel sprach zu Joseph: Nun kann ich sterben (מות), nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, dass du noch lebst! (Gen. 46:30)
Aber als es wahr wird, wird ein anderes Wort gebraucht, als wolle Gott sagen: Wie du stirbst, entscheide immer noch ich. Sei nicht so hart zu dir selbst. Du wirst nichts, rein gar nichts spüren.
Das Hochziehen der Füße bedeutet wörtl. sie werden „gesammelt“ (אסף). Das hebr. Wort zeigt in seinem Aufbau etwas noch Größeres: Die 1 (א) wird mit dem Ende (סף) verbunden. Anfang und Ende finden wieder zusammen. Der Weg ist vorüber; es ist alles heimgekehrt.