Gott offenbart sein Vorhaben nicht so, dass man alles sofort verstehen und einordnen könnte. Die Gefahr einer falschen Schlussfolgerung wäre viel zu groß. Er offenbart sich denen, die den Weg gehen in dem Maße, wie sie vorangekommen sind.
Als Beispiel wird Abraham gegeben, der seinem Sohn nicht sagt, was das Ziel des Weges nach Morijah ist. Der Weg sollte Isaak so angenehm wie möglich sein, heißt es. Hätte Abraham ihm direkt gesagt, was sie erwartet, wäre beiden der Mut entfallen. Deswegen hält der Heilige die Informationen zunächst zurück.
Am Ende kommt es dann ganz anders, als Abraham dachte. Dabei war er sich so sicher, dass er alles richtig verstanden hatte. Isaak bekommt bis zum Schluss keinerlei Klarheit über das, was passiert. Wo war denn anschließend die Aussprache? War es nicht die Pflicht des Vaters, seinen Sohn über den ganzen Vorgang aufzuklären? Niemand würde sich wundern, wenn Isaak seinen Vater gefragt hätte: „Sag‘ mal, du wolltest mich tatsächlich töten?“ Und die heutige Jugend würde noch ergänzen: „Echt jetzt? Geht’s noch? Wolltest du mich etwa dumm sterben lassen, und dazu noch durch deine Hand?“
Was hätte Abraham antworten sollen? Er hatte selbst keine Antwort gehabt.
Es gibt einschneidende Ereignisse, für die wir weder davor noch danach eine Antwort haben. Und das ist gerade dann der Fall, wenn wir merken, dass es für uns um das geht, was wir wirklich lieben (Gen. 22:2). Isaak spricht in der Bibel nie mehr ein Wort mit seinem Vater. Erst vier Kapitel später wird erwähnt, dass er wieder spricht – da ist sein Vater längst verstorben – und dann kommt etwas aus ihm heraus, was ihn immerzu umtrieb. Er sagt: „Weil ich dachte (eigentlich „zu mir sagte“), ich möchte nicht ihretwegen sterben.„
Das Ereignis mit seinem Vater hat ihn so tief erschüttert, dass die Angst zu sterben sehr lebendig war in ihm. Das ist ein bedeutungsvoller Zusammenhang, denn sein Gegenüber, Abimelech, kontert direkt mit: „Was hast du uns da getan! Wenig fehlte, so hätte einer aus dem Volk bei deiner Frau gelegen, und du hättest Schuld über uns gebracht.“ Hier kommt zum ersten Mal der Begriff „Schuld“ (ASCHAM) in der Bibel vor (Gen. 26:10). Es hängt mit dem Verhalten zusammen, das Isaak aufgrund seines Erlebnisses zeigt. Und was konnte er – menschlich gesprochen – für diese Prüfung, die sein Vater durchlaufen musste und ihn beinahe das Leben kostete? Nichts! Ein paar Verse weiter spricht er noch einmal. Wieder ist es bezeichnend, was er sagt, wenn man seinen Hintergrund etwas kennt:
Und Isaak sprach zu ihnen: Warum kommt ihr zu mir, da ihr mich doch hasst und mich von euch weggetrieben habt? (Gen. 26:27)
Der, von dem es zum ersten Mal in der Bibel heißt, dass er geliebt wird, hat Angst vor dem Tod und empfindet, dass andere ihn hassen. So wird er alt (Gen. 27:1). Dieser Sohn, der unmöglich schien, der das größte Glück seiner Eltern war, hat so schwer zu tragen. Sicher gab es einige schöne Momente in seinem Leben, doch was ausblieb waren die Antworten auf die Fragen, die er im Stillen mit sich führte.
In unser aller Leben gibt es Umstände, Ereignisse und Schicksalsschläge, die eine Menge Fragen aufwerfen. Die Antwort bleibt man uns manchmal schuldig. Isaak hat das Lachen in seinem Namen. Sind es nicht gerade die lachenden Menschen, die auch den Schmerz kennen?