Lohn und Strafe

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Unsere westliche Welt ist maßgeblich nach dem Prinzip des Belohnens und Bestrafens aufgebaut. Die ganze Gesellschaft funktioniert nach dieser Strategie. Ich gebe etwas, also erhalte ich im Gegenzug etwas dafür. Das beginnt schon mit der Erziehung der kleinen Kinder, die nur dann ihr Bonbon erhalten wenn sie »schön brav« waren. Sind sie weniger brav oder sogar »böse«, dann folgen Einschränkungen (kein Bonbon, Hausarrest, etc.). Leider können kleine Kinder (oft auch Erwachsene) nicht zwischen Kritik an einer Tat und der Person, bzw. sich selbst, trennen. Also ist die Wahrnehmung bei einer gerügten Tat nicht: »Das habe ich falsch gemacht«, sondern: »Ich bin falsch«. Menschen, die so aufwachsen (man bedenke: unser ganzes Schulsystem ist so aufgebaut!) werden beziehungsunfähig. Die einzige Beziehung, die bei ihnen funktioniert ist die Geschäftsbeziehung. Diese ist kalt, berechnend und hat nichts mit Liebe zu tun.

Wird nun ein solcher Mensch mit der Bibel konfrontiert, so baut er zwangsläufig auch zu diesem Buch, das nur auf der Basis einer Liebesbeziehung in seiner inneren Bedeutung erahnt werden kann, eine kaufmännische Beziehung auf. »Komm zu Jesus dann brauchst du später nicht in die Hölle!«, ist solch ein Kuhhandel. Wenn die Information stimmt, haben die Werbeagenten zu Beginn des Medienzeitalters ihre Strategien bei den christlichen Missionaren abgeschaut. Wer einmal einer christlichen Mission, auch Evangelisation genannt, analytisch beiwohnt, wird dabei folgendes Muster erkennen: Zunächst wird der Ist-Zustand des Menschen beurteilt. Dazu müssen dann allerlei aus dem Zusammenhang gerissene Bibelstellen herhalten: »Schau mal in dein Leben, da läuft doch nicht alles rund, oder? Wie sieht es denn in deinem Inneren aus? Glaubst du, dass du vor Gott bestehen kannst? Das wäre aber sehr hochmütig …« Ich spare mir hier die Auflistung der Bibelverse, die für diese Zwecke ihrem eigentlichen Sinn entfremdet werden. Als nächstes folgt, rhetorisch inszeniert, das große Rettungsangebot Gottes: »Gott hat seinen Sohn für dich in diese Welt gesandt und grausam quälen und hinrichten lassen, auf dass du gerettet wirst. Willst du das etwa ausschlagen? Dein Leben ist doch nur kurz. Und für diese kurze Zeit willst du es in Kauf nehmen, ewig (sie meinen damit unendliche Zeit) gequält zu werden? Überlege doch mal! Jetzt kannst du noch umkehren … usw.« Das ist nichts weiter als ein (ungültiges) Geschäftsangebot. Es folgt (scheinbar) festgeschriebenen Gesetzen, von deren Einhaltung Gott abhängig macht, ob er sich deiner erbarmt … das Druckmittel ist auch in unserer Zeit nach wie vor die Hölle. Bemerkenswert ist der Umstand, dass vom Kopf her argumentiert wird. Genau wie es die Schlange macht. “Denk doch mal nach! Gottes Angebot ist doch logisch und nachvollziehbar. Wie kann man das denn nicht verstehen wollen?” Die Basis für die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen jedoch ist Vertrauen und Liebe, nicht die Logik. Menschliche Logik geht immer von der diesseitigen Wahrnehmung aus. Mit diesen “Bausteinen” der Sinneseindrücke berechnet und kronstruiert sie. Im alten Wissen heißt es: “Schau, die Bibel hat deiner Wahrnehmung gemäß bewusst viele Widersprüche, um dir zu zeigen, dass die Zusammenhänge diesseitig nicht fassbar sind. Suche die Verbindungen vom Jenseitigen her und du wirst staunen, wie harmonisch alles miteinander verwoben ist.” Ein beliebtes Beispiel für die Veranschaulichung der Sichtweisen ist der geknüpfte Teppich, der, von seiner Unter- und seiner Oberseite her betrachtet, entweder ein wirres Durcheinander oder ein großes Kunstwerk zeigt. Beides zusammen ist das Ganze.

Der große (leider oft unbekannte) Schlüssel ist das Tun umsonst. Das ist die Essenz der Liebe, hebr. ahawah, 1-5-2-5. Dieses hebr. Wort ist der Imperativ (Befehlsform) sowohl für »nimm!« als auch für »gib!«, ohne Gegenleistung zu erwarten. Es wird dir gegeben – einfach so! Du gibst, was auch immer, und erwartest nichts dafür – einfach so! Solange du etwas erwartest, und wenn es »nur« ein Danke ist, bist du Geschäftsmann oder -frau. Im NT werden diese aus dem Tempel geworfen (z.b. Matth. 21,12).
Im AT heißt es, dass die Kanaaniter »ausgerottet« werden sollen. Kanaan kommt von hebr. kanah, 100-50-5, kaufen. »Ausrotten« meint vom Hebr. her in erster Linie abschneiden oder entwurzeln. D.h. du sollst das Kaufmännische bei dir selbst entwurzeln. Die Kriege im AT finden einzig und allein bei dir selbst statt!
Nun, da diese »edle« Pflanze namens Kaufmann uns schon als Säugling eingepflanzt wurde, ist es eine gewachsene Struktur, die sehr tiefe Wurzeln hat. Gar nicht so leicht, sich davon zu lösen … Der Stamm des hebr. Wortes »umsonst«, bechinam, 2-8-50-40, lautet chen, Gnade. Es ist auch das Verb bachan, 2-8-50, „prüfen“, in bechinam enthalten. Liegt des Menschen Prüfung vielleicht gerade darin, ob er imstande ist, umsonst zu handeln? Eine sehr spannende Frage auf die uns diese Wortverbindung hinweist. Die einzige „Personengruppe“ die von Natur aus bechinam tut, sind die Kleinkinder, die Säuglinge im Lehrhaus (wie sie in der Überlieferung genannt werden), bei denen der Verstand noch nicht analysiert. Bei dem neutestamentlichen Wort: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht (z.B. Matth. 19,14), heißt es nicht: »Lasset den Kindergarten zu mir kommen«. Leider wird es so in den Kinderbibeln mit bunten Bildern dargestellt. Das Kind in dir hat den Zugang zum »Himmelreich«, genauso wie der Arme in dir (Matth. 5,3). Das dt. „umsonst“ hat etym. (Duden) den Sinn: „und was, wenn es nicht so ist?“ Weiterführend: »Könnte es auch ganz anders sein, als unser Verstand es uns weismachen will?« Im Tun wird ersichtlich, worin unser Vertrauen begründet ist. In dieser Hinsicht sind die Jüngsten unter uns die größten Lehrmeister. Ihnen ist das Tun »um zu« fremd. Sie stammen aus der Welt wo es diese Art des Miteinander-Umgehens nicht gibt. Lohn und Strafe hat immer mit Regeln und Gesetz zu tun. Das ist die Welt des 6. Tages, womit Ägypten assoziiert wird. Auch der sogenannte »Sündenfall« geschieht am 6. Tag, und die Kreuzigung ebenso. Es ist überall das gleiche Muster. Nicht zuletzt auch die 666 in der Offenbarung; auch dort das große Thema des Kaufens und Verkaufens. Es geschieht nichts Neues. Alles wiederholt sich ständig in Variationen. Die Bibel beschreibt die innere Struktur des Ganzen.