Friedrich Weinreb in Hat der Mensch noch eine Zukunft?
Der Mensch weiß im Grunde sehr wohl um seine Verantwortlichkeit für die Welt. Weil er aber keine Alternative sieht, macht er mit in dem ganzen Betrieb von Eigensucht und fieberhafter Konkurrenz und nimmt an der allgemeinen Berauschung teil. Er fühlt sich verantwortlich, das Gewölbe dieser Welt mitzutragen. Wie aber, wenn ihm dämmert, dass seine ganze Lebensführung es ihm verunmöglicht, seiner eigentlichen Verantwortung zu leben?
Eine Revolution im Rahmen der heutigen Ordnung ist deshalb ausgeschlossen, weil, wie gesagt, die von ihr geschaffenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Einrichtungen keine Möglichkeit einer Kehrtwendung offen lassen. Sie werden sich sogar gegen eine solche mit Händen und Füßen zur Wehr setzen. Niemand möchte aus dem weichen Rhythmus des Rausches herausgerissen werden. Darum wird die notwendige Revolution nur von einzelnen, die verstreut, da und dort, auftauchen, getragen werden. Die andere Seite im Menschen – jene so verborgene Seite, dass sie kaum erkannt wird –, bringt es zustande, dass das Neue durchbricht. Und mit dem Neuen verhält es sich immer so: Ist es einmal auf die Welt gekommen, dann kann es unversehens wachsen und erstarken. Und stets sieht man, dass das Unscheinbare trotz allen Widerstandes hochkommt und das Alte hinter sich zurücklässt. Einzig darum geht es, ob sich Menschen finden, welche die heutige Lage begreifen, das Andere im Menschen erkennen und von ihm inspiriert werden. Dann könnte die Revolution früher ausbrechen, als man denkt. Eine solche Umwälzung, das weiß ich, würde die Menschen und die Welt aufatmen lassen. Man wird einsehen, dass man einer beinahe unvermeidlichen Katastrophe entgangen ist. Und die Neue Welt wäre der andern, der verborgenen Seite dankbar. Jetzt aber schämt man sich beinahe, zu ihr zu zählen, zu der für nichts gehaltenen, weil sie so «unwissenschaftlich» auftritt, und man ärgert und mokiert sich über sie, dass sie Begriffe, Werte, die gar nicht zu fassen sind, wie Liebe, Glück, Treue kennt und mit ihnen umgeht. Und doch sind eigentlich sie es, die den Menschen bewegen. Er sollte nachgerade den Mut aufbringen, dafür einzustehen. Dann gäbe es nicht länger diese verhemmte Gefühlssprache, das Vage und Schiefe verbogener Ansichten, sondern jeder würde, ohne falsche Scham, so reden, wie es ihm ums Herz ist.
Die friedliche Revolution der Entschlossenen und Einsatzwilligen könnte dann im weitesten Sinne Bedeutung gewinnen. Und dadurch würden mächtige Impulse der Entscheidung frei. Er kann eines Tages ein wahres Wunder sein, dieser neue Mensch.