Rosch Ha-Schanah – Das Lied des Vaters

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Im jüd. Kalender ist heute Neujahr, auf Hebräisch ROSCH HA-SCHANAH, wörtlich „Haupt des Jahres“. SCHANAH, Jahr, bedeutet als Verb „ändern“ und „wiederholen“. Einerseits wiederholen sich die Tage, Monate und Jahreszeiten und doch bleibt nichts, wie es war. Man ruft sich ein „ROSCH HA-SCHANAH“ zu und hofft, dass sich alles zum Guten ändert. Zählen wir die Buchstaben des Neujahrstages bzw. -grußes zusammen, erhalten wir 861 (200+1+300+5+300+50+5), eine bedeutende Zahl, denn sie ist die volle Entfaltung der 41 (41+40+39+ … +3+2+1). Die 41 und die 861 stehen in einem festen Zusammenhang, nicht zuletzt, weil 861 geteilt durch 41 die 21 ergibt, die Zahl von EHEJEH, 1+5+10+5, „ich bin“. Die 41 ist im Hebräischen die Mutter, EM, 40+1. Eine Mutter ist eine Frau, die neues Leben in die Welt gebracht hat. Das „Ich bin“ verschmilzt mit der Mutter und sie ist es, die eine neue Welt hervorbringt, die die Gene des „Ich bin“ in sich trägt. 

Das Besondere an dieser Mutter ist, dass es eine BETHULAH, eine Jungfrau ist, wie auch das jüd. Neujahr im Zeichen Jungfrau beginnt. Dazu Friedrich Weinreb:

Im Brauch im Judentum wird vom 1. Tag des Ellul an das Widderhorn, der Schofar geblasen. Gott, heißt es, bläst seinen Odem am Beginn der Schöpfung, als Prinzip der Schöpfung, in das Horn und ruft damit das Lamm, den Widder hervor. So kommt im Zeichen des Lammes die ganze Schöpfung zustande. »Jungfräulich« ist die Schöpfung, im Zeichen der Jungfrau, »bethula«, entsteht die Welt, auf die »bethula« ist sie gegründet. So ist die Jungfrau die Mutter der Welt. Aus ihr kommt überhaupt alles zustande. Am biblischen Neujahrstag, dem 1. des 7. Monats Tischri, wird der Mensch erschaffen. Vorher aber ist also das Lamm und die Jungfrau als Mutter der Welt. 

Innenwelt des Wortes im Neuen Testament, Seite 46

Und wie jedes Kind einmalig und neu ist, so ist auch jedes Jahr einmalig und neu. Nichts bleibt, wie es war, alles ändert sich, auch wenn es vielleicht nicht sofort danach aussieht. Heißt es doch nicht „Neu-Jahr“ wie im Deutschen, das schon mit sich bringt, dass auch etwas „Altes“ da sein muss, sondern „Haupt des Jahres“. Mit dem Haupt, dem ROSCH beginnt die Bibel, beginnt die Schöpfung. Was war vorher? Was ist vor der 1? Das Lamm geht voraus, aber nicht als etwas in unserem Sinne (Be)Greifbares. Die Grundlage der Welt ist JESSOD und darin finden wir SOD, das Geheimnis.

Man bläst das Horn eines Widders, nicht das eines Kalbes, weil das Kalb dir Erinnerungen bringt, die dich nach unten ziehen (bezieht sich auf das „Goldene Kalb“) – das Lamm aber sagt dir: Siehe, ich mache alles neu; das Alte ist vergangen (s. 2. Kor. 5:17). Eine neue Schöpfung ist keine Fortführung einer alten Welt, auch nicht im Sinne einer Verbesserung, sondern etwas bislang Unbekanntes kommt aus dem Verborgenen ins Sichtbare hervor, zunächst klein und unscheinbar, doch dann bricht es sich mehr und mehr Bahn und keiner kann es aufhalten.

Im Griechischen geht das Wort für „Schöpfung“ (ktisis) zurück bis auf das Verb „erwerben“ (ktáomai), welches uns zu Luk. 21:19 führt, worin uns noch ein besonderer Aspekt der Schöpfung mitgeteilt wird: 

Erwerbt eure Seelen durch euer (wörtlich)unten drunter Verweilen (gr. hypo-moné).

Eine neue Schöpfung geschieht um der Gewinnung der Seele; das ist ein wichtiger Punkt. Möge uns das allen gelingen, möge die Seele singen! Singen, SCHIR, 300+10+200 hängt doch direkt mit dem Haupt, ROSCH, 300+1+200, zusammen. SCHIR bedeutet nicht nur das Singen im Allgemeinen, sondern ist ein „in ein neues Lied ausbrechen“, sodass sich die Seele aufschwingen kann. Das erste Wort der Bibel besteht aus 6 Zeichen, die man zum „Lied des Vaters“ oder zum „Lied der Väter“ umstellen kann:

Das Lied, die andere Seite des Menschen


In diesem Sinne ist eine neue Schöpfung auch ein neues Lied – „singt Ha-Schem ein neues Lied!„, heißt es mehrfach in den Psalmen und bis in die Offenbarung des Johannes kommt das neue Lied immer wieder vor. Das Lied des Vaters besingt nicht deine Fehler und Schwächen, sondern deine Verbundenheit mit dem Höchsten, mit dem Ewigen. Deshalb geht der jüdische Neujahrstag 2 Tage lang, denn jedem Tief steht ein Hoch gegenüber, immer gibt es auch die andere Seite – die Tür steht offen.
In diesem Sinne Rosch Ha-Schanah!