Friedrich Weinreb in Das chassidische Narrenparadies
Der Mensch lebt in dieser Welt mit dem dauernden Empfinden eines Mangels, eines Unbehagens über alles Unvollkommene, eigentlich das Gefühl eines verlorenen Paradieses. Es ist ein Urgefühl, dass ihm im Grunde etwas fehle, und das ist auch die Ursache aller Unlust, aller Verkrampfung. So ist vielleicht auch der ganze Komplex der Zwangsvorstellungen und Zwangshandlungen aus dem Gefühl der verlorenen Geborgenheit zu erklären. Der Mensch ahnt, dass die Welt, wie sie sich ihm darstellt, nicht die umfassende Wirklichkeit ist, sondern höchstens eine Facette einer Wirklichkeit. In der Gesamtheit seiner Empfindungen lebt aber auch ein vages Gefühl der Erwartung, eine nicht zu unterdrückende Hoffnung, dass ihn einmal das Glück eines wiedererlangten Paradieses erfüllen könnte. Diese Erinnerung an ein verlorenes und die Hoffnung auf ein wieder zu erlangendes Paradies sind das, was wir das Unendliche oder das Ewige im Menschen nennen könnten. Der Weg aber zwischen dem verlorenen und dem ersehnten Paradies ist der Weg des Menschen.