In der hebräischen Sprache ist die Verbindung zwischen einem Tisch, dem Schicken, Senden und Aussenden bereits im Wort gegeben (nähere Erläuterung weiter unten). Die Mahlzeit wird am Tisch gereicht. Die Dinge kommen dem Menschen im Sitzen, in der Ruhe. Der eigentliche Tisch ist eine Ebene, die parallel zur Erde ist. Beim ersten in der Bibel genannten Tisch ist diese Platte, die Tabula aus dem Holz der Akazie, hebr. ezeij schittim, 70-90-10 300-9-10-40 (2. Mose 25:23).
Die Akazie kommt in der Thora ausschließlich im Plural vor und ist in ihrem Zahlenwert identisch mit Satan, 300+9+50. Beide zählen 359. Holz ist Ausdruck des in der Zeit Gewachsenen. Obwohl im Samen eines Baumes bspw. sämtliche Informationen darüber enthalten sind, was werden soll, entscheiden die Umstände während des Wachsens über das Ob und das Wie. Das hebr. Wort für Akazie leitet sich von einem Verb ab, das „abweichen von“, „zurückweichen“ und „untreu sein“ bedeutet. Damit ist das Abweichen von der Wahrheit hin zur Lüge gemeint (bspw. in Ps. 40,5: Glückselig der Mann, der den HERRN zu seiner Zuversicht macht und sich nicht wendet zu den Übermütigen und zu denen, die zur Lüge abweichen). Die Akazie steht für das Abweichen, das Schlagen (Fällen) einer Akazie ist zugleich das Beenden der Abweichung. Die Umkehrung der Abweichung Richtung Lüge ist die Hinwendung zur Wahrheit. Das Baumaterial des Tisches ist Abweichung und Untreue. Worin weichen wir ab? Sobald wir die Welt abstrakt und der Vergänglichkeit unterworfen sehen, kappen wir ihre Verbindung zum Jenseitigen, dessen Ausdruck sie ist. Die moderne Gesellschaft ist regelrecht stolz darauf, alles erklären zu wollen und es in vielen Fällen scheinbar sogar zu können. Die vielen Erklärungen bewirken im Kind einen Bruch mit der Welt, aus der es stammt.
Je länger wir leben, desto mehr wächst der Eindruck (das Holz der Akazie), dass irgendwie alles sinnlos ist, weil unsere Wahrnehmung uns zunehmend erkennen lässt, wie um uns herum alles verschwindet. Ja, auch der eigene Körper gibt uns zu verstehen, dass er uns nicht unbegrenzt tragen will. Obwohl faktisch beweisbar, ist das eine tamé (unreine) Sicht auf die Welt. Es heißt, dass der Vater der Unreinheit der Tod ist, und der Tod kommt durch das Nehmen der Frucht vom Baum der Erkenntnis. Die unreine Sicht auf diese Welt hängt direkt mit der Schlange zusammen, die identisch mit dem Satan ist (Offb. 12:9). Jetzt heißt es aber nicht: „Verbrenne die Akazien! Vernichtet sie alle!“ Nein, sie ist ein wichtiger Baustoff im Haus der Begegnung mit Gott.
Der Tisch wird mit Gold überzogen, genauer steht in 2. Mose 25,24 zahav tahor, also „reines Gold“. „Rein“ hat in der Bibel nichts mit Hygiene zu tun, sondern bezieht sich auf die Ausrichtung zum Himmel hin. Unrein wird man durch den Kontakt zu Toten. Das hebr. Wort für „überziehen“, zaphah, 90+80+5, bedeutet auch beobachten, spähen, hinschauen. Gold ist in der Reihenfolge der Metalle an erster Stelle und deshalb mit dem ersten Schöpfungstag verbunden. Es entspricht dem Urlicht, das auch in jedem Menschen vorhanden ist. Dieses Licht, dieses Gold, soll nach außen und das „Ab- und Zurückweichende“ (Akazie) nach innen.
Mit anderen Worten: Es liegt an uns, wie wir diese Welt sehen. Solange wir nur Vergänglichkeit sehen, steht die Akazie und wächst munter weiter. Akazien gehören zu den Mimosengewächsen, welche ihren Namen aus dem Portugiesischen haben: Mimo ist das Empfindliche, Zärtliche aber auch das Verwöhnte. Einige Mimosenarten ziehen ihre Blätter bei Berührung ein und das kettenreaktionsartig. Ein verwöhnter Mensch scheut die Auseinandersetzung und weicht zurück – eine typische Eigenschaft der gelebten Lüge. Wahrheit ist mutig, geht nach vorn und scheut keine Auseinandersetzung. Sie hat ihre Wurzeln im Ewigen, weshalb ihr auch der Tod nichts anhaben kann.
Eine weitere Eigenschaft der Mimosengewächse ist ihre Giftigkeit. Nichts von einer Mimose ist genießbar. Der als Akazienhonig ausgezeichnete Honig ist in Wirklichkeit von der Robinie, einer der Akazie ähnlichen Baumart, die jedoch zu einer anderen Gattung gehört, weshalb man sie auch Scheinakazie nennt.
Beginnen wir zu glauben, dass die Welt nur die Hülle einer unvergänglichen Wirklichkeit ist, fällen wir die Akazie (werden mutig), bearbeiten das Holz (Fragestellung: Wie könnte ich die Bereiche, in denen ich zur Unwahrheit mir selbst gegenüber neige, umkehren und daraus etwas machen, was mich Gott näherbringt?). Der neue Blick auf mein Leben, meine neue Beobachtung der Welt um mich herum als Geschenk des Ewigen an mich, ist das Überziehen des bearbeiteten Holzes mit reinem Gold.
Unsere vermeintlich problematische Vergangenheit wird aus dieser Sicht zu etwas, das uns Stabilität gibt, wenn sie „verarbeitet“ wurde, denn das tragende Element des Tisches ist nicht das Gold, sondern das Akazienholz! Von außen sichtbar ist das reine Gold. Innen, unsichtbar in dir verborgen, sind deine Erlebnisse und alle deine Erfahrungen. Richtig verarbeitet werden diese von Bezalel, dem von „rechts“, wie der Sohar berichtet. Bezalel (בצלאל), übersetzt „im Schatten Gottes“, schreibt sich 2+90+30+1+30, in der Summe 153, genau wie die Anzahl der Fische, die die Jünger aus dem Wasser ziehen, nachdem sie das Netz rechts ausgeworfen hatten (siehe Joh. 21). Im Sephiroth-Baum steht rechts Chessed (Gnade / Barmherzigkeit / schenkende Liebe) und links gegenüber Din (Recht / Gericht). Die „Verarbeitung“ durch Bezalel heißt:
Letztlich gibt es aus der hiesigen Sicht keine abschließende Erklärung. Du kannst nur dahingehend vertrauen, dass alles seinen Sinn hat. Gott lenkt deine Geschicke, deine Erlebnisse, deinen Alltag. Er hätte auch alles verhindern oder anders leiten können. Nun ist es, wie es ist und es liegt an dir, ob du dein Leben als Wunder oder als willkürliche Aneinanderreihung von Ereignissen betrachtest.
In Joh. 21,11 wird bei dem bekannten Fischfang noch hinzugefügt, dass das Netz trotz dessen, dass es so viele waren, nicht zerriss. Das Netz hält eine eigentlich nicht tragbare Menge, die aus der Zeit (Wasser) herausgebracht wird. Alles, was du erlebt hast, ist niemals nur rein zeitlich gewesen! Es gibt viel größere Zusammenhänge.
Ebenso hält der Tisch, dein Tisch. Er trägt das Untragbare, im Sinne von: Nicht zu glauben! Doch, glaube nur. Vertraue darauf, dass es auch bei dir heißt: „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ (1. Mose 1:31)
Die Sprache erzählt uns vom Tisch. Im Hebräischen heißt er »schulchan«, 300+30+8+50; das Wort kommt von »schalach«, 300+30+8, »schicken«, steht also in Beziehung zu »Schicksal«, »Geschick«, das, was dir im Leben begegnet. Du brauchst das Bewusstsein, dass es im Haus einen Tisch gibt, dass es Stühle gibt. Hebräisch »kisse«, »Stuhl«, ist auch das Wort für Thron. Der Mensch kann ruhen — der Stuhl ist sein Thron. Gott sitzt auf dem Thron, der König sitzt auf dem Thron, und wenn von einem Tagelöhner gesprochen wird, der sich auf den Stuhl setzt, wird das gleiche Wort »kisse« gebraucht. Ein Stuhl im Traum bedeutet, dass es im Leben die Möglichkeit des Wirklich-ruhen-Könnens gibt. — Heutzutage fällt das Ruhen vielen Menschen außerordentlich schwer. Immer muss man etwas tun. Und hat man einmal nichts zu tun, löst man Kreuzworträtsel. Der Zwang geht manchmal so weit, dass man sich fast schämt, wenn man wirklich einmal überhaupt nichts tut: „Ich arbeite“, sagt man dann. — Es kann sein, dass es im Traum schon Stühle gibt, aber gleichzeitig auch das Gefühl: „Ich darf mich nicht setzen!“ Der Stuhl bleibt unbenutzt — die Beziehung zur Ruhe ist gestört.
(Weinreb, Traumleben 2, Seite 178 ff.)
Im alten Wissen heißt es: Die Welt wird dir gegeben wie ein gedeckter Tisch. Das Leben ist die Mahlzeit. Alles ist vorbereitet, alles ist aufgetragen. Es steht bereit, dass du es nimmst, und es ist einer da, der es dir austeilt. Ein gedeckter Tisch im Traum bedeutet in der Entsprechung hier: Du könntest die Ruhe und Gelassenheit haben, dein Schicksal zu akzeptieren. Spürst du nicht, dass es genauso in Ordnung sein muss, wie in Gewächsen oder Molekülen Ordnung herrscht? Oder sorgst du dich etwa darum, ob die Naturgesetze wohl ausreichen, damit der Mond nicht zur Erde fällt? Du kennst die großartige Ordnung der Natur, aber um dein Schicksal sorgst du dich. Du erfährst alles bis ins kleinste Detail geordnet und sinnvoll zusammenhängend, aber dein Schicksal erlebst du chaotisch. Der gedeckte Tisch und diese Unruhe — beides lebt im Menschen als unbegreifliches Paradox.
Um die Mahlzeit soll man nie besorgt sein. Aus dem Neuen Testament kennen Sie die Mitteilungen von den »wunderbaren« Speisungen. Es sind nur wenige Brote und Fische, dennoch wird eine riesige Menge satt, ja, es bleibt noch etwas übrig; oder das wenige Öl, das beim Kommen des Propheten Elia alle Krüge füllt, wie in 1. Könige 17, oder im Falle mit Elischa (2. Könige 4), erzählt wird — in vielen Bildern wird es gezeigt: Das Schicksal, dem du begegnest, ist längst vorbereitet, glaube doch nicht, du müsstest es machen! Alles ist längst da, es besteht kein Anlass zur Sorge.
Es heißt im alten Wissen: Die Erfüllung geht dem Verlangen voraus. Wie könntest du überhaupt hoffen, wenn bei dir nicht etwas wäre, das dir sagt: „Es ist schon da“? Wie anders sollten dir die Vorstellung davon und das Verlangen kommen? Daher ist die Beziehung in der Welt so wichtig. In-der-Welt-Sein ist gleichbedeutend mit der fortwährenden Beziehung zu allem und jedem. Dein Haus soll harmonisch sein, es soll dir das Gefühl der Beziehung geben, dass es so, wie es ist, gut ist. Man erwartet, dass im Haus »tiferet« herrscht. »Tiferet« ist der Name der dritten Sephira und wird mit »Schönheit«, »Harmonie« übersetzt.
Obere und untere Welt
Im Griechischen heißt ein Tisch einfach nur der „Vierfüßige“ (gr. trapeza). Er besteht aus einer Fläche, die durch eine Vierheit gegenüber dem Boden erhaben ist. Man kann sagen, dass die Tischplatte einer Art Parallelwelt entspricht, die „von unten“ nicht einsehbar ist.
Fuß heißt auf Hebräisch „regel“, 200+3+30, und er hat den gleichen Wert wie der Baum des Lebens, ez ha-chajim, 70+90 5+8+10+10+40, nämlich 233. Vier Füße ergeben 932, die Zahl vom Baum der Erkenntnis, ez ha-daath tov w’ra, 70+90 5+4+70+400 9+6+2 6+200+70. Beim sog. Schaubrottisch wird auch ausdrücklich von vier Füßen gesprochen (2. Mose 25,26)
Die 932 trägt eine Ebene, die parallel zur Erde ist. Auf dieser Ebene wird der Mensch genährt. Darunter wird das Tier genährt. Das Niveau der Tischbeine ist das Niveau des Verstandes (Baum der Erkenntnis) und deshalb gibt es in der Bibel den Hinweis, dass die Hunde das essen, was unter den Tisch fällt (Matth. 15,27). Der Hund steht für den Verstand, deswegen wendet er sich alleine stehend auch gegen „Israel“. Nur beim Auszug aus Ägypten muss er sich zurücknehmen (2. Mose 11,7). Das will sagen, dass sich beim Menschen, der zum Ewigen durchbricht und somit auf dem Weg ist, der Verstand untergeordnet wird. Die neutestamentliche Entsprechung wäre einmal Phil 4,7: und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn [gr. νόημα (noema)] bewahren [φρουρέω (phrureo): bewachen] in Christus Jesus.
Und 2. Kor. 10,5b: (…) und jeden Gedanken [gr. νόημα (noema) ist die gedankliche Absicht] gefangen nehmen unter den Gehorsam [ὑπακοή (hypakoe) ist das „sich dem Gehörten unterordnen – zusammengesetzt aus hypo + akoúo daher das Wort Akustik)] des Christus.“
Wenn man unten ist, hört man „von oben“. Das Wort Gehorsam ist bei uns in erster Linie hierarchisch gefärbt und dieses Verständnis wird dann in die Bibel hineinprojiziert. Dabei geht es einfach nur um ein Hören von oben, vom Himmel, von der Quelle des Wunders, von Gott, dem ich Vertrauen schenke.
Am Tisch sitzt man. Das Wort „sitzen“ hängt im Hebräischen direkt mit dem Ruhen, der Zahl Sieben und dem Schabbat zusammen. Ich werde diese Zusammenhänge später ausführlicher darstellen. Für den Moment möchte ich nur so viel sagen, dass uns das Schicksal vom Tisch nur dann ausgeteilt wird, wenn wir daran sitzen. Sprich, nicht nur wissen, dass bereits alles vollendet ist, sondern aus und in dieser Ruhe die Speise, also das, was uns kommt, entgegennehmen. Für diejenigen ist der Tisch reichhaltig gedeckt. Die se’uda (Mahlzeit) steht bereit, ist aber nichts zum Prahlen oder Beweisen, sondern wie das Wort se’udah im Original schon das Wort sod (Geheimnis) enthält, so ist auch die Mahlzeit am Tisch des Jenseitigen etwas, das im Verborgenen stattfindet, um die Kraft für den Weg und das Tun im Diesseitigen zu schenken. Nach dem Mahl am Tisch steht der Mensch auf und geht weiter seinen Weg. Jede Begegnung ist auch „Mahlzeit“. Fortwährend findet das alles statt. Im Ewigen gibt es kein Vorher und Nachher. Aber wie der Hund am liebsten in seinem Rudel ist, so will auch der Verstand immer dabei sein, und für ihn wird es in Abstufungen und Ge-Schichten erzählt. Der Verstand darf keinesfalls ausgeschlossen werden.
Nicht für alle wird am Tisch die Speise ausgeteilt. Der Säugling is(s)t nicht am Tisch. Er trinkt bei seiner Mutter. Am Tisch sitzen solche, die eigenständig essen können (siehe Hebr. 5,14). Die Speise ist die Auseinandersetzung mit der Welt, und nicht zuletzt mit sich selbst. Dazu braucht es den Biss und das Kauen mittels der Zähne. Die Kaumuskulatur gehört zu den stärksten Muskeln des gesamten Körpers. Muskulatur wächst durch Beanspruchung. Der Mensch hat vier Kaumuskelpaare, die den beweglichen Unterkiefer gegen den unbeweglichen Oberkiefer ziehen. Der Unterkiefer steht für das Diesseits, wohingegen der Oberkiefer für das Jenseits steht. Eine reine diesseitige Auseinandersetzung kann es in diesem Sinne nicht geben, weil es das „Oben“ als Gegenseite zum Kauen braucht.
Beim Kauen und Verdauen werden Substanzen, die in der Zeit zu einer Einheit bzw. einem Gebinde gewachsen sind, in eine Vielheit zerteilt und aufgelöst. Was wir nicht (auf-)lösen können, wird wieder ausgeschieden. Nehmen wir als Beispiel einen Apfel. Von der Blüte bis zur reifen Frucht vergehen einige Wochen. Nährstoffe aus dem Boden, Wasser, Sonne, Temperaturschwankungen, wie viele Faktoren beeinflussen letztlich den Apfel, den wir essen? Wie bauen sich die Situationen, die uns geschickt werden? Wie viele Faktoren beeinflussen eine einzige Begegnung? Und jede unserer Begegnung ist in diesem Sinne eine Speise, die uns geschickt wird. In einer nur diesseitigen Betrachtungsweise können wir unsere Alltagserlebnisse nicht in eine Form bringen, die uns nährt.
Der Zahn lautet auf Hebräisch schen (שן), 300+50. Das Wort kommt von dem Verb schanan (שנן), 300+50+50, das schärfen, einschärfen und wetzen bedeutet. Aber auch Lernen und Einstudieren kommen von diesem Wort. Ebenso das Wiederholen, das Verändern und das Jahr, welches in den Zyklen der Jahreszeiten ebenfalls den Charakter des Wiederholens, aber auch des Veränderns kennt. Manches lässt sich leichter kauen, anderes schwerer. Spannend ist in jedem Fall, dass wir feste Speise zerkleinern müssen. Als Menschen können wir hier nur leben, wenn wir das als Einheit uns Begegnende zerteilen. Und nur dadurch, dass wir uns damit auseinandersetzen, entfaltet sich der ganze Geschmack. Und über diesen lässt sich bekanntlich nicht streiten. Jedes Erlebnis ist einzigartig und individuell.
Nichts freut einen Gastgeber mehr, als zu sehen, dass es den Gästen schmeckt und sie sich bei ihm wohlfühlen. Wie viel mehr freut sich Gott darüber, wenn er sieht, dass wir dieses Leben hier annehmen und „durchkauen“.
Psalm 34,9: Schmecket und sehet, wie freundlich HaSchem (JHWH) ist; wohl dem, der auf ihn traut!
Jesus wird nicht erkannt, weil man denkt, er sei derjenige, der vor drei Tagen gekreuzigt wurde, also getötet. Man erkennt Ihn nicht, weil Er nicht weiterlebt, sondern neu lebt: das Leben aller Phasen des Lebens in Einheit. Man könnte Ihn erkennen, aber ohne gleich zu wissen, wer Er ist. Gewiss ist die Phase seines Lebens, sind die 33 Jahre dabei; aber noch viel mehr ist dabei: alle Vergangenheiten seit Beginn der Schöpfung und von vor der Schöpfung, alle Zukunft. Und das alles als Einheit: Leben in Ewigkeit.
(Weinreb, Das Ende der Zeit, Seite 76 ff.)
Aber wir sehen, die Jünger erkennen Ihn nicht, auch die Emmaus-Jünger nicht, die nur an dieses Geschehen denken können, das vor drei Tagen stattgefunden hat, diesen großen Skandal in Jerusalem. Weißt Du nichts davon?, fragen sie Ihn. So ist es: Wir reden Ihn selber an, erkennen Ihn aber nicht. Erst dann, wenn Er das Brot bricht mit ihnen, wenn Er zeigt: Ich teile das Leben aus, von Mir kommt das Leben her, dann erkennen sie Ihn. Dann sehen sie: Am Tisch teilt Er aus, das Leben.
Kein Sehen, kein Erkennen von außen, kein Betasten mit den Augen oder mit den Händen, um zum Beispiel die Wunde wahrzunehmen, sondern ein Erkennen als Schicksal im Leben. Der Sinn dieses Erkennens ist das Brechen des Brotes, das Austeilen des Wortes. Man spürt dann sein Schicksal, vom Tisch her ausgeteilt, vom Lebenstisch. Im Hebräischen heißt Tisch »schulchan«, und dieses Wort zeigt den Stamm »schalach«, schicken. Wir erkennen nicht so äußerlich, wir erkennen erst im Schicksal die Verwandtschaft, wir erkennen Ihn als den Erstgeborenen im Schicksal, wenn man es austeilt.
Die umgeworfenen Tische im Tempel
In allen vier Evangelien wird von der sogenannten Tempelreinigung berichtet.
Gemäß Joh. 2,13 passiert das Ereignis „nahe Passah“. Passah ist im Original Pessach, 80+60+8, und bedeutet überspringen, eine Ausnahme machen, aber auch lahm sein. Pessach ist verbunden mit Eile (2. Mose 12,11) und Unruhe.
„Die Regel, das Gesetz, wird übersprungen. Und so kommt die Erlösung. Der Mensch kann nichts anderes tun als warten, zu Hause bleiben. Gott erlöst.“
(Weinreb, Nissan, S. 31)
Nahe Pessach herrscht Unordnung, Chaos und Ungerechtigkeit. Beim Ur-Pessach in 2. Mose 12 gehen die Schläge voraus (hebr. negeph, 50+3+80, meist mit Plagen übersetzt). Die Dinge laufen nicht mehr so, wie man es gewohnt war. Längst hatte man sich an Unterdrückung und Missbrauch gewöhnt. Korruption war zum Alltag geworden. Dieses „Millieu“ finden wir nicht nur außen, sondern auch innen. Jerusalem wird im alten Wissen als Zentrum der Welt gesehen, und von diesem Zentrum wird gesagt, dass es „oben“ liegt (Jesus ging „hinauf“). Dort befindet sich der Tempel, der in erster Linie für „Gottes Wohnen in ihrer Mitte“ (2. Mose 25,8) steht. Im Tempel herrscht das Los. Der Zahlenwert des hebr. Begriffes für Los, goral (גרל), 3+200+30, ist identisch mit dem des Baumes des Lebens, nämlich 233. Es heißt, dass das Innere den Menschen auf eine Art lenkt, die wir nicht erklären können.
Nehmen wir unser Schicksal an? Umsonst? Oder ist uns das Bezahlen lieber? Möchten wir Einfluss auf unser Schicksal nehmen und lassen wir es uns etwas kosten, wodurch wir auch Ansprüche geltend machen können? Oft laufen diese Vorgänge unbewusst in uns ab, z.T. regelrecht automatisiert. Wir erkennen unsern inneren Kaufmann daran, dass wir voller Unmut sind, wenn es nicht so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben.
Ohne Kunden kann auch der hartnäckigste Geschäftsmann nicht überleben. Beide bedingen einander. Die Rede ist von den Tischen der Wechsler, die Jesus umwirft. Wieder finden wir eine Mehrzahl, die einer 1 gegenübersteht. Es gibt nur einen Tisch des Herrn, aber die der anderen sind viele. Ein Wechsler ist im griech. Original im wörtlichen Sinne jemand, der eine große Einheit in viele kleine Stücke zerschneidet. Allzu schnell driftet man in das äußere Bild ab und stellt sich jemand mit einer Kasse vor, der große Münzen in kleine tauscht. In der Begegnung mit einem Kermatistes (Wechsler, von griech. keiro: scheren, abschneiden – ident. mit dem Scheren eines Schafes!) gibt man die eigene Einheit auf, und lässt sie klein schneiden, denn nur so kann man kaufen. Der Mensch als Ganzes ist weder käuflich noch hegt er den Wunsch der Manipulation via Zugeständnisse, Kompromisse oder Einflussnahme mittels eigener Möglichkeiten, die den Optionen anderer überlegen sind.
Im Hebräischen sagt man chalaph (חלף), 8+30+80, zum Wechseln und man höre und staune, wir finden es in der Bibel zuerst bei Laban, dem Schafscherer, denn dieser wechselt 10x Jakobs Lohn (1. Mose 31, 7 und 41). Laban muss wechseln, weil er Ausdruck der irdischen Zeit ist, die mit den Phasen des Mondes gemessen wird (labanah: Mond / laban: weiß, aber auch streichen, säubern, reinigen, läutern). Die Zeit wechselt die Form alles Erscheinenden. Sie zerschneidet die Einheit. Erlösung aber bedeutet ein Durchbrechen der Zeit. Der Wechsler zerschneidet die Ganzheit des Ewigen und er kann auch gar nichts anderes tun. Wir lesen in den Evangelien nicht, dass Jesus die Wechsler schlägt oder erhängt, sondern er wirft sie hinaus, verbringt sie von innen nach außen. Dort gehören sie hin. Die Außenwelt ist eine Welt des Austauschs, wie wir es elementar schon bei unserem eigenen Körper sehen. Sobald ein- und ausatmen aufhören, lässt der Körper die Seele frei. Aber in Beziehung zum Näherkommen im Inneren zum Innersten, gibt es keinen Austausch.
In der Geschichte der Tempelreinigung wird uns vermittelt, dass sich zum „Ende der Zeit“ die Prinzipien der Außenwelt sogar nach innen verlagern. Man meint, man kann Gott mit bestimmten Tricks beikommen und sich geistige Erfahrungen mittels Techniken, Methoden oder ernsthaften Bemühungen „erkaufen“. Jesus wirft die Tische um. Sprachlich genauer: Er stellt sie auf den Kopf. Die vermeintliche „höhere Welt“ (Tischplatte als obere Parallelwelt) ist nun auf einem Niveau mit dem Irdischen. Die Tischbeine zeigen nach oben, bilden oben aber keinen Zusammenhang mehr, denn die Platte ist die 1 gegenüber der 4 Beine. Die 1 ist nun jedoch „unten“. Sie braucht die 4 (Beine) nicht mehr. Dann ist die konkrete Welt, die uns umgibt, plötzlich nicht mehr wichtig. Wozu ist sie überhaupt da? Wenn uns unsere Welt nicht mehr interessiert, könnte es sein, dass jemand unseren Tisch auf den Kopf gestellt hat.
Im Midrasch Tanchuma verweist man noch darauf, dass beim Umdrehen auch die Buchstaben eines Wortes gedreht werden, und dann wird in diesem Beispiel aus schulchan (Tisch), 300+30+8+50, l’nachasch, 30+50+8+300, also „zur Schlange“. Obwohl wir jetzt nur diesen einen Aspekt der „Reinigung“ betrachten, erkennen wir leicht, dass sich auch hierin sehr klar die Prinzipien der Bibel ausdrücken. Und war es nicht die Schlange, die ihrer Beine beraubt wurde und auf ihrem Bauch kriechen musste (1. Mose 3,14)? Wird nicht auch ihr ihre Höhe genommen? Schieben wir die Schlange nicht so weit weg, sondern fragen uns selbst: Versuchen wir vielleicht andere davon zu überzeugen, dass sie nur auf unsere Weise zu Gott kommen können? Die Schlange macht genau das.
Die kaufmännische Begegnung zu Gott endet immer in Beziehungslosigkeit. Anstatt der Beziehung in Liebe erhält man nun seinen Rat von der Schlange, deren Klugheit zugleich eine List ist. Immer wenn der Mensch aufhört zu lieben, beginnt er zu rechnen und findet sich in Gesellschaft der Schlange wieder, die andere vergiftet oder liebreizend umschlingt, um sie zu erwürgen.
Schicksal ist demnach nicht Schicksal! Tisch ist nicht gleich Tisch. Agiert der Mensch innen nach Berechnung, bedarf es unabdingbar einer Katharsis (Reinigung), die ihm aufzeigt, dass er mit seinen Berechnungen falschliegt. Erst durch diese grundlegende Einsicht kann er Röm. 8,28 mitsprechen, wo es heißt: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Besten mitwirkt (griech. synergeo / Synergie), denen, die nach dem Vorsatz berufen sind.“ Ist die Beziehung zu Gott nicht auf der Basis einer liebenden Sehnsucht (das ist der Vorsatz und die Erwählung), kommen Dinge in das Leben, die dem Prinzip des Säens und Erntens entsprechen, wie es auch in Ägypten mit dem Getreide der Fall ist. „Nach“ dem Auszug wird weder gesät noch geerntet, das Prinzip des „wenn > dann“ greift nicht mehr. In der Wüste fällt das Man(na) vom Himmel. Einfach so, ohne eigene Leistung. In der Wüste heißt es „wer sucht, der findet“. Oder Matt. 6, 26:
„Seht hin auf die Vögel des Himmels, dass sie nicht säen noch ernten, noch in Scheunen sammeln, und euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel vorzüglicher als sie?“
Der Vogel wird mit der Seele assoziiert. Auszug aus Ägypten bedeutet auch, dass der Vogelkäfig geöffnet wird. Nun braucht der Vogel dem Besitzer kein Lied mehr zu singen. Er ist frei. Es ist ihm eingeschaffen, seine Nahrung selbst zu finden. Die Seele findet ihre Nahrung.
An welchem Tisch sitzen wir? Innerhalb des Käfigs oder außerhalb? Der Seele Freiheit äußert sich in innerer Freude und in einer Gewissheit, dass sich das eigene Leben „von dort her“ neu ordnet, wenngleich dadurch manches auf den Kopf gestellt werden muss.