Traurigkeit und Freude ohne Auslöser

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Als Menschen haben wir auch die Eigenschaft, in Unfälle, Abläufe und Vorgänge einbezogen zu sein, die sich weder in unserem unmittelbaren Umfeld noch im Zeitfenster des Empfindens abspielen. Sensible Menschen spüren Stimmungen von anderen, mit denen sie auf eine gewisse Art und Weise verbunden sind, obwohl sie sich an ganz unterschiedlichen Orten aufhalten.

Wir wissen, dass Gott selbst 7 Tage lang um ein Ereignis trauerte, das noch nicht eingetreten war. Das ist der Grund, warum die Thora in 1. Mose 7:10 schreibt: „Nach den sieben Tagen kam das Wasser der Sintflut auf die Erde.“ Gott hatte 7 Tage lang darüber getrauert, dass er so viel von seinem Werk zerstören musste. Im Zusammenhang mit diesem Vers fragten die Weisen: „Kann man denn um jemanden trauern, bevor er gestorben ist?“ Wenn so etwas nicht möglich oder nicht angemessen ist, warum hat Gott das Ereignis betrauert, bevor es geschah? Ein Mensch, der [verstandesmäßig] nicht weiß, was in der Zukunft geschieht, kann nicht um ein Ereignis trauern, das noch nicht eingetreten ist. Gott, der es weiß, ist dazu in der Lage.

Rabbeinu Bahya gemäß einem Midrasch-Ansatz, der auf Tanchuma Schemini 1 basiert

Eine traurige Stimmung kann sich auf uns legen wie ein Tuch, das die Schönheit und Unbeschwertheit des Augenblicks bedeckt. Der Grund hierfür ist eine innere Verbundenheit mit der Welt Gottes, in der alles ohne Abfolge zusammen ist. Der Verstand ist an eine Kausalkette gebunden, deswegen sind die Zusammenhänge, die er erkennt, fragmentiert und nur bedingt belastbar. Gott ist mit der gesamten Schöpfung verbunden, deshalb nimmt er an allem Anteil. Vom Menschen heißt es, dass er im Bild (ZELEM) und Gleichnis (D’MUTH) Gottes gemacht ist, und je mehr ein Mensch auf dem Weg ist, dieses Geheimnis zu ergründen, desto mehr wird er mit Gott mitfühlen. Das versteht man unter dem Hören von Gottes Stimme: Seine Stimmung überträgt sich in den Menschen, dessen Seele das Wort von “dort” her hört. Auf gleiche Weise kann uns Freude treffen, obwohl wir keinen Grund dafür ausmachen können. Woanders ist große Freude und wir werden mit einbezogen. Das ist auch umgekehrt der Fall, wenn wir dazu beitragen, zu helfen und die Stimmung zu heben; auch das überträgt sich auf andere. Und jedes Mal, wenn es dir gelungen ist, eine missliche Lage zu überwinden, hat es ein anderer Mensch in einer ebensolchen Situation etwas leichter, eine ähnliche Lage durchzustehen ohne aufzugeben.
Unser Leben hat einen immensen Einfluss auf das Leben anderer Menschen, wenngleich wir es nicht immer direkt erkennen können. Das betrifft auch unsere stillen und unbeobachteten Momente, in denen wir Samen säen, der zu einer anderen Zeit eine Blüte hervorbringen kann. Dann freut man sich ob der Blüte, aber dass diese mit Tränen im Verborgenen ihren Anfang nahm, wird man nicht gewahr.