Das wiederkäuende Vieh ist rein, weil es die Wiederholung kennt. Beim Aufnehmen der Nahrung wird diese in Stücke zerbissen und dann in geduldiger Ruhe immer und immer wieder durchgekaut. Genauso soll man lernen: Neues soll in kleine Stücke zerlegt werden, anderweitig kann es nicht aufgenommen werden. Danach, in Ruhe, wiederholt man es gemächlich, so vermengt es sich mit dem eigenen Erleben und wird eins mit uns selbst. Es heißt, dass durch die Wiederholung gute Gedanken kommen, wenn man das Aufgenommene mit Dankbarkeit in sich bewegt.
Dieses Muster ist der Welt von Beginn an mitgegeben. Die Schöpfung dauert 6 Tage, doch dauert es mehrere tausend Jahre, in denen sich die Ereignisse immer wieder auf unterschiedliche Art und Weise wiederholen. So wird das Niedere durch das Höhere aufgenommen und gelöst, gleichwie es bei der Verdauung der Fall ist.
Der mürrische Esser, der in nichts einen tieferen Sinn sehen will, ist wie das Schwein, das Gott nicht lobt. Der Midrasch Wajikra legt dem Schwein die Worte aus Psalm 73:25 in den Mund: „Wen habe ich im Himmel?“
Das Schwein hat gespaltene Hufe und zeigt nach außen, dass es die Merkmale der Reinheit aufweist, aber es ist kein Wiederkäuer – der lange Weg ist ihm zuwider. „Nein, es gibt nichts Höheres; lass mich fressen, dass ich satt werde, dann bin ich schon zufrieden!“
Die Heuchelei des Schweines zeigt sich sogar in dessen hebräischer Bezeichnung. Es heißt CHASIR (חזיר), was mit dem Verb CHASAR (חזר) verbunden wird, das Wiederholen und Zurückkehren bedeutet. Es steht für den Menschen, der sich äußerlich rechtschaffen und der Wahrheit verpflichtet fühlt, aber innerlich kennt er keine Umkehr.
Der verlorene Sohn kehrt um, wenn er bei den Schweinen angekommen ist und diese hüten soll (Luk. 15:15). Dort wacht er auf! Es kann sehr heilsam sein, im Leben mit Heuchelei und Falschheit konfrontiert zu werden, insbesondere dann, wenn man diese auch noch „hüten“, sich also für sie einsetzen und sie nähren soll. Dieser Sohn möchte der Falschheit das Futter entziehen, indem er es für sich beansprucht, doch das gelingt ihm nicht. Und so wird diese Situation für ihn zum Anlass, sich seiner Herkunft zu erinnern und dorthin zurückzugehen. Er geht nach innen zu sich selbst, steht in Luk.15:17 wörtlich (εἰς ἑαυτὸν δὲ ἐλθὼν), und dort findet er die Erinnerung.
Auf den Menschen bezogen stellt man sich beim Wiederkäuen immer wieder die Frage: Wie kann ich das, was mir begegnet, mit meinem Leben verbinden? Es sind Prozesse in unserem Inneren. Kein Schaf würgt sein Vorverdautes seinem Nachbar-Schaf vor die Füße und sagt: „Hey, kannst du das mal für mich weiterkauen?“ Beim erneuten Durchkauen wird das Futter immer weiter zerkleinert – erst wenn es ganz klein ist, kann es in den endgültigen Verdauungsprozess übergeleitet werden.
Sobald wir erkennen, wie wichtig die kleinsten Momente in unserem Leben waren und sind, lösen sich verflochtene Angelegenheiten leichter auf. Organisch steht die Cellulose für die Verstrickungen, die Wiederkäuer imstande sind aufzuspalten. Auch hierbei gibt es keine Abkürzungen, doch lehren uns diese Tiere, dass mit Geduld und Dranbleiben Dinge zur Nahrung werden können, die andere als unlösbar deklarieren würden.