Wald

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bezeichnet ursprünglich das nicht bebaute, sich selbst überlassene Land. Daher auch die Verwandtschaft zu wild. Das Wilde ist das von Menschen Unbeeinflusste. Unsere heutigen Wälder werden von Menschen bewirtschaftet und kontrolliert, die nicht Waldmeister, sondern Förster genannt werden. Wer könnte schon Meister des Wilden sein? So kommen wir zu einem weiteren Begriff, der für Wald verwendet wird: Forst, engl. forest, franz. forêt. Alle Wörter stammen vom mittellateinischen forestis, welches »das, was außerhalb liegt« bedeutet. Dies wiederum gehört laut Duden zu lateinisch foris, foras »außerhalb«.

Forschen wir etwas weiter, so werden die Zusammenhänge noch offensichtlicher. Im Spanischen nennt man den Wald bosque, ein Wort das mit busca bzw. busqueda, der Suche, in Verbindung steht. Die Niederländer sagen zum Wald bos. Fast gleichlautend ist in dieser Sprache das Wort für böse, boos.
Im Neuen Testament ist nur ein einziges Mal vom Wald die Rede (Jak. 3,5):

So ist auch die Zunge ein kleines Glied und rühmt sich großer (Dinge). Siehe, ein kleines Feuer, welch einen großen Wald zündet es an!

Das griech. Wort hyle (Wald) bedeutet zugleich auch StoffMaterie und Ballast. Der Vers weist auf die verhängnisvolle Wirkung unbedachter Rede hin. Weiter noch, dass die Rede starken Einfluss auf die Materie hat!
In der Bibel als Ganzes finden wir den Wald zu allererst in 5. Mose 19,5, wo er in einem richtunggebenden Kontext verwendet wird (Zitat ab Vers 4):

4 Und dies ist die Sache mit dem Totschläger, der dahin fliehen soll, damit er am Leben bleibe: Wer seinen Nächsten unabsichtlich (wörtl. ohne Wissen) erschlägt, und er hasste ihn vorher nicht, 5 wie (etwa) wenn jemand (oder er) mit seinem Nächsten in den Wald geht, um Holz zu hauen, und seine Hand holt mit der Axt aus, um das Holz abzuhauen, und das Eisen fährt vom Stiel und trifft seinen Nächsten, dass er stirbt: Der soll in eine dieser Städte fliehen, damit er am Leben bleibe,

In den beiden Versen geht es um das versehentliche Tun. Weinreb sagt dazu in Traumleben II:

Es ist etwas »aus Versehen« geschehen. Heute reden wir oft von »Zufall« und möchten darüber gern mehr erfahren. Vielleicht führt uns diese Fluchtstadtgeschichte ins Zentrum dessen, was uns als »Zufall« ein Rätsel ist. Wir müssten dazu die Entsprechung dieses Bildes in unserem alltäglichen Erleben finden. Haben wir selbst nicht fortwährend mit dieser Situation zu tun? Dem Menschen – so heißt es – geschieht es eigentlich immer so, dass er »nichts dafür kann«. Jedes Tun und jede Situation stellt sich so dar, wenn man alles miteinbezieht. Er nimmt die Axt, um den Baum zu schlagen – hier sei schon gleich darauf hingewiesen, dass »Baum«, »ez«, und »Zeit«, »eth« oder »es«, in der hebräischen Sprache sehr nahe verwandte Begriffe sind. Der Baum wächst wie die Zeit, die sich entwickelt, Neues hervorbringt. Da der Mensch also in der Zeit lebt, geschieht es, dass ein anderer dadurch geschädigt wird. Und immer hat der Mensch mit »Zeit« zu tun. Einerseits also kann der Täter nichts dafür; andererseits aber kann er doch dafür, denn indem er »seinen Ort wechseln« und »in die Stadt fliehen« muss, steht er für seine Tat ein. – Alles, was wir im Leben tun, gleicht ganz einem Tun »aus Versehen«. Herkunft, Umgebung, Erziehung – unendlich viele Faktoren, für die wir nichts können, bestimmen unser Handeln mit.

Einen großen Raum nimmt der Wald in den Märchen ein. »Und sie kamen in einen großen Wald«, liest man dort oft. Dort zuhause sind die Hexen, die in ihrem Namen schon die »6« haben, und die Riesen, die äußerlich schwer beeindrucken und körperlich viel vollbringen, aber geistig genau gegenteilig von »riesig« agieren. Typisch für die Protagonisten der Märchen ist das Verirren im Wald. Wo ist der Ausgang? »Da aber die Nacht kam, suchte er eine Herberge …« Im Wald finden die eigentlichen Prüfungen statt und das wahre Selbst wird offenbar. Darauf weist auch das hebräische Wort für Wald hin, ja’ar, 10-70-200, das man auch als »er erwacht« lesen kann. Das Männliche (Er) steht in der Bibel stets für das Innere und die Erinnerung, wie es das Wort für männlich, sachar, bereits mitteilt. Wald könnte man als »unsere Erinnerung erwacht« oder etwas weiträumiger als »unser Inneres erwacht, indem wir uns erinnern« lesen. Der Athbasch-Wert von ja’ar ist 50, eine Zahl die grundsätzlich mit dem Erwachen zur Erlösung hin verbunden ist. So ist Josua (hebr. Jehoschua), der Sohn der 50 (Josua Ben Nun), weiters ist er auch der na’ar, 50-70-200, der Erweckte (im Hebräischen identisch mit Jüngling), der Mose dient (siehe 2. Mose 33,11). Der Name Jehoschua entspricht im Neuen Testament Jesus, welcher in Luk. 22,19 beim Abendmahl sagt:

(…) dies tut zu meinem Gedächtnis (gr. anamnesis)!

Anamnesis bedeutet auch Erinnerung. Dies tut, auf dass ihr euch daran erinnert, wer ihr in Wirklichkeit seid! Nur durch das Erwecken und Erwachen des Messias in uns erfahren wir, wer wir sind. Deshalb kommt Jesus in diese Welt (»der Mose dient«), stirbt dort und steht wieder auf.

Der Wald steht für die äußerliche, sichtbare Welt, dem in der Zeit Gewachsenen, wo das Licht gedämpft und unser Ausgang ungewiss ist. Allerlei Herausforderungen, teils mit einem Charakter, den wir als Menschen böse nennen, warten auf uns; jedoch nicht, um uns zu zermürben, sondern um uns zum Ewigen, zu unserem inneren Selbst hin zu erwecken, auferstehen zu lassen. So irren wir umher und sind (hoffentlich) auf der Suche nach dem Ausgang. Gleichwie im Märchen hat jeder von uns ganz individuelle Proben zu bestehen, für die es ohne Ausnahme eine (Er-)Lösung gibt. Sämtliche Prüfungen scheinen in den Märchen mit den Methoden des Allgemeinwissens und der Berechnung aussichtslos – sind sie auch! – doch zeigt sich gerade dann, wenn die Verzweiflung am größten ist, wie aus dem Nichts eine zufällige Hilfe, die das Blatt wendet, insofern man sich darauf einlässt und vertraut. Danach findet sich nicht nur der Ausgang, sondern eröffnet sich ein Leben, das alle Erwartungen und Vorstellungen übersteigt.