Wenn alles auf einmal kommt …

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… sind Zeit und Ewigkeit nah beieinander.

Und das ganze Volk sieht die Stimmen (Ex. 20:18 wörtlich)

Wie kann man eine Stimme sehen? Neugeborene müssen ihre Eindrücke verknüpfen lernen. Das passiert ganz von selbst. Sie sehen ihre Mutter förmlich sprechen, sie sehen beim Abstellen eines Gegenstandes, dass ein bestimmtes Geräusch entsteht, welches sie gleichzeitig hören, und wenn sie eine Rassel in die Hände bekommen, verknüpfen sie das nervige Gerassel mit der Bewegung ihrer Hand. So baut sich ein Gefühl für Synchronizität, das sehr wichtig ist, um sich in der Welt zu orientieren. 

Sind beim Ansehen eines Filmes bspw. Ton und Bild nicht synchron, wirkt das Gesehene nicht glaubhaft.

In Ex. 20 werden die 10 Worte gegeben, Gott offenbart sich auf eine sehr eindrückliche Weise, die bei „dem gesamten Volk“ ein Zittern verursacht. Zittern entsteht, wenn sich entgegengesetzt wirkende (antagonistische) Muskelgruppen immer wieder zusammenziehen (kontrahieren). Am Sinai treffen Welten ohne Verzug, vollkommen synchron, aufeinander. Diese Präsenz bewirkt, dass der Mensch aufhört zu verurteilen, weil „er in diesem Moment selbst vor dem Richter steht“ (F. Weinreb). Nicht dass Gott ihn richtet, nein, in diesem intensiven Erleben der Gegenwart des Höchsten richtet sich der Mensch selbst und wendet so ein Urteil von sich ab (1. Kor. 11:31). Ze’ena Ure’ena bemerkt noch dazu, dass dieses Erlebnis auch eine Heilungserfahrung beschreibt, wie es auch heute in der Medizin bekannt ist, nämlich dass bestimmte körperliche Lösungsprozesse durch ein Zittern begleitet werden. 

In Vers 21 heißt es, dass das Volk ferne war, Mose aber nahte. Der Körper, „das Volk“, hat Angst, ihm ist die Nähe Gottes unbehaglich. Im weiteren Sinne ist es die Menge, die Masse, die Vielheit, die immer nach außen flieht, weil sie nur so existieren kann. Nach innen zum Zentrum hin ausgerichtet, kollabiert die Masse. Mose, „der aus dem Wasser Gezogene“, naht sich als Einzelner. Mose als Realität in uns selbst naht sich „dem Dunkel, wo Gott ist“ (Vers 21). Er ist der Mittler, auf den sie hören wollen (Vers 19).

Wir haben selbst beide Seiten in uns. Wenn wir uns fürchten, gibt es immer noch jemanden im Innersten, der sich nicht fürchtet und den Kontakt zu dem herstellt, dem Himmel und Erde untertan sind. Mose (משה) kann man auch „vom Lamm“ lesen, wodurch charakterisiert wird, weshalb das Volk keine Angst vor ihm hat. Das Sanfte im Menschen hält die Nähe aus und bekommt die Offenbarung. Was ihm jetzt von Gott gesagt wird, behält er nicht für sich, sondern schreibt es alles auf (24:4). Bis heute ist es erhalten geblieben, und noch heute begegnet es dem Menschen in Sanftheit, selbst wenn ihn das Zittern ergreift.