Wenn der Glaube stirbt, erwacht der Jäger

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Wenn die Zwillinge Jakob und Esau 15 Jahre alt sind, stirbt ihr Großvater Abraham. Da erwacht in Esau der Jagdtrieb. Das Ziel der Jagd ist das Fangen und Erlegen des Tieres. Im Tier zeigt sich die Erscheinungsform dieses Lebens, des Körperlichen und das, was dieses Körperliche als Ziel hat. Das Konkrete, die Materie neigt dazu, wegzulaufen und sich zu verstecken. Und so ist der Mensch herausgefordert, es einzufangen. Doch sobald er ein Tier gefangen hat, tauchen neue Tiere auf. Und so geht das endlos weiter.
Nimrod ist der große Jäger, der der 4-heit nachjagt, die gerade wegen der 4 immer weglaufen kann (4 Beine). Immer dort, wo man diese Sache, diese Erscheinung, fangen und in seine Gewalt bringen will, ist man der Jäger. Eine solche Jagd bringt ernsthafte Konsequenzen für die Persönlichkeit dessen mit sich, der sich ihr widmet. Man ist dann wie Nimrod, der König von Babel, der König der Welt in diesem Zeitalter oder in der Eigenschaft des Menschen als Jäger. Esaus Weg als Jäger kommt erst, wenn Abraham nicht mehr ist. Die Kraft und der Trieb des Jagens erwachen im Menschen, wenn sein Glauben und sein Vertrauen sterben, wenn nichts mehr davon da ist. „Jetzt nehme ich die Sache selbst in die Hand, ich werde alles daran setzen, die Welt auf meine Art und Weise zu begreifen.

Weshalb die Mühe, wenn am Ende sowieso alles umsonst war?

Nimrod, der jetzt Amrafel heißt, ist neidisch auf Esau als Jäger. Er erhält den Namen Amrafel, weil alle seine Heere und Menschen beim Turmbau zu Babel umgekommen sind. Amrafel wird in 1. Mose 14:1 erwähnt. Unter Jägern gibt es immer diesen Wettbewerb, der Größte zu sein. An diesem Tag nun, nach dem Tod Abrahams, findet Esau Nimrod auf dem Feld, begleitet von zwei Männern (das Feld steht in der Welt als Jagdgebiet, in dem das Tier gefangen werden kann). Esau versteckt sich indessen und lauert Nimrod auf. Als Nimrod dann an diesen Ort kommt, taucht Esau plötzlich auf, stürzt sich mit seinem Schwert auf Nimrod und schlägt ihm den Kopf ab. Dann kämpft Esau einen großen Krieg mit den beiden Männern, die Nimrod begleiteten. Die beiden erheben ein lautes Geschrei. Esau tötet auch sie.
Nimrods Helden, die sich während der Jagd vom Feld entfernt hatten, erkannten die Schreie von Nimrods Begleitern und eilten zu ihnen. Als Esau sie kommen sieht, nimmt er Nimrods Kleider und rennt mit ihnen davon. Er versteckt sich in seinem Haus und ist müde und erschöpft wegen der Angst vor den Verfolgern. Seine nephesch ist erschöpft und er glaubt, dass sein Tod nahe ist. In diesem Zustand kommt er zu Jakob. Und dort sagt er: „Was bedeutet es für mich, ein bechor (Erstgeborener) zu sein, wenn ich jetzt sowieso sterben muss?“

Der Dauerkonflikt des Jägers

Der Jäger in dieser Welt trifft immer auf andere Jäger. Die Menschen gönnen sich gegenseitig den Fang nicht. Das liegt in der Natur der Schöpfung und darin besteht das Wesen der Jagd. Es gibt immer Konflikte, solange das Konzept der Jagd – die Suche nach der Bestimmung des Lebens, um die Welt in ihrer Erscheinung zu fangen – existiert. Ob man es nun Wissenschaft, Politik, Gesellschaft oder Kirche nennt, überall dort, wo es um den Versuch geht, den Sinn des Lebens zu erreichen, indem man dem Messbaren, dem Materiellen, nachjagt, gibt es diesen Hass und Neid. Denn die Jagd bedeutet, dass man Macht anhäufen, reich und angesehen sein will, und dann stört einen die Tatsache, dass es andere gibt, die dieselben Interessen haben. Dann kommen die Gefühle für die Nuancen, man wird sensibel für kleine Unterschiede in diesem Bereich. Man reagiert dann sehr empfindlich, wenn man den Eindruck hat, dass jemand anderes in das eigene Gebiet eindringen könnte oder gar etwas Größeres „fängt“, wodurch man selbst herabgestuft würde. Ob jemand zustimmt, es viel Interesse gibt, das Ansehen steigt, heute könnte man ergänzen: ob die Anzahl der Abonnenten im Internet steigt, es hohe Klickraten gibt oder viele Daumen nach oben gegeben werden, ist für einen Jäger sehr wichtig. Als ob dadurch der Kern einer Sache oder der Kern eines Menschen verändert würde – mitnichten! Nimrod wird aus der Sicht der Welt hoch geachtet, weil er das Aushängeschild für Ansehen und Erfolg ist. Die Masse definiert ihn als einen guten Jäger, obwohl er der Inbegriff des „ra“, des Bösen ist. Nimrod geht den Weg des „ra“, des Bösen, mehr als jeder andere nach der mabul (Sintflut). Nicht genug damit lehrt er die Menschen auch noch die Wege des „ra“. Seine Erfolgsseminare haben großen Zulauf. Nur sein Sohn Mardon übertrifft ihn noch, indem er seine Ziele noch konsequenter verfolgt, völlig gleichgültig, welche Opfer andere dafür bringen müssen. Der Wahn treibt Mardon mit in den Krieg, den sein Vater Nimrod gegen Kedolaomer führt, doch der Sohn bezahlt seine Treue zur Bosheit des Vaters mit seinem Leben. Übertragen bedeutet der Tod des Sohnes, dass Nimrod der Weg in die Zukunft verbaut ist, er wird keine Zukunft haben. Mardon hat die gleichen Buchstaben in seinem Namen wie sein Vater (siehe Grafik). Dieser gleichberechtigte Sohn ist verloren. Nimrod hat keine Zukunft mehr als Nimrod, sein Reich ist am Ende. Vater und Sohn haben das Wort marad, 40+200+4 in sich, das mit rebellieren, empören, auflehnen und „nicht bereit sein, sich zu unterwerfen“ übersetzt wird. Sobald der Mensch sich der Forschung, der Technik und der Wissenschaft im Sinne eines Die-Welt-Beherrschen-Wollens unterwirft, rebelliert er gegen Gott, jagt nach dem Tier, dem Tier, das hoffentlich alles erklären wird und von dem man den Segen erwartet. Nimrod bestimmt das Leben all dieser Jäger. Wenn die menschliche Forschung darein mündet, dass sich die Gelehrten inthronisieren, um andere Menschen zu kontrollieren, dann wird der Schöpfer vom Thron gestoßen – das ist die Rebellion Nimrods.

Nimrod und Mardon - Die Rebellion steigert sich im Sohn.

Zwei Jäger, zwei Weltsichten, die einander nicht ertragen

Doch nun steht auch Esau, der Sohn Abrahams und Isaaks, als Jäger auf dem Feld, doch Esau jagt anders, hat einen ganz anderen Stil. Nimrod duldet diese neue, ganz andere Art von Jägern jedoch nicht. Umgekehrt lauert Esau ebenfalls darauf, diesen König der Jäger zu töten. Die Tötung gelingt, aber jetzt kommt eine weitere Unruhe über Esau. Es ist jetzt die Angst vor Nimrods Helden. Unter einem Helden versteht man hier eine mächtige materielle Konzentration. Etwas in der Welt dringt mit aufgeblasener Wichtigkeit in das eigene Leben ein, man fühlt sich von allen Seiten bedrängt. Dieses ständig drohende Unheil erzeugt in Esau das Gefühl, dass der Tod immer in seiner Nähe ist. Auch wenn es nicht bewusst so erlebt wird, ist dieses Gefühl des Todes im tiefsten Inneren des Menschen als Jäger immer präsent. Der Tod als das Ende des individuellen Lebens, als das Ende des Namens, den man in dieser Welt trägt. Man glaubt eigentlich, dass der Tod wirklich das absolute Ende ist, obwohl der Mund oft ganz anders spricht. Die körperliche Seele, die nephesch des Jägers, damit ist auch der Charakter gemeint, verändert sich mit einer solchen Gesinnung. In diesem Zustand stehen sich Esau und Jakob gegenüber. Esau ist die Seite, die nicht an das Wesentliche glaubt. Schließlich hat man nur die 4 verfolgt. Von der 1 weiß man nichts. Jakob hingegen ist die Seite des Menschen, die an das Wesentliche glaubt. Jakob bleibt bei der 1, bei seinem Kern, er hält am Inneren fest. Er lernt in der Schule von Schem und Ever. Dort lernt er, wie das Wort das Ewige mit dem Diesseitigen verbindet.

Das in sich Ruhen anstatt eines endlosen Kampfes gegen sich selbst

So steht der bechor, 2+20+200, der Erstgeborene, für das Wesentliche. Im Wort für den Erstgeborenen finden wir die 2 auf allen Ebenen, weil er als Erster aus einer anderen Welt in diese Welt durchgebrochen ist. Jemand hat einen Weg aus dem Geheimnis ins Offenbare gefunden und ist damit selbst ein Geheimnis. Zwar findet sich keine 1 bei ihm, aber seine 2 unterliegt einer anderen Ordnung, einer Ordnung, die nicht gegen sich selbst kämpft, sondern ruhig bleibt, weil sie mit dem Geheimnis verbunden ist. Es impliziert, dass man mit dem Kern dann auch den Kreis besitzt. Es ist wie der Baum, der Frucht ist und Frucht macht.
Der bechor bekommt deshalb den doppelten Anteil als Erbe. Er bekommt diese Welt und die andere, die Erscheinung und das Wesentliche, das Äußere und das Innere. Der Mensch als Jäger fühlt sich jedoch von den Auswirkungen des Königs der Jäger, von Nimrod, bedroht. Er kann diesem Schatten Nimrods nicht mehr entkommen. Vor ihm bestand alles nur aus der 4 und diese 4 ist nun ständig bedroht. Er hat kein Organ für die 1. Er sieht es nicht und er hört es nicht. Man kann ihm noch so viel darüber erzählen, er hat kein Organ, um es aufzunehmen. Das ist die Bedeutung der Worte Esaus: „Was kümmert mich diese bechorah (Erstgeburt)?“, und das: „Ich werde ohnehin sterben“, so paradox es auch klingt, will eigentlich sagen: „Was habe ich von diesem Leben? Nichts, schließlich geht es um andere Dinge, Dinge, die du als wesentlich bezeichnest, aber das macht mich hier weder klüger noch hilft es mir weiter.“
Der Mensch, der mit der verdrängten Angst vor dem Tod lebt, baut große Städte, schafft Technokratie, Banken und Industrie. Was fällt ihm nicht alles ein, nur um sich seiner Todesangst zu entledigen? Über das Wesentliche sagt er: „Was soll ich damit machen, was nützt es mir, ach, das muss ich nicht haben. Gib mir lieber dieses Leben hier, denn ich habe eine solche Angst vor dem Tod.“

Cham und das tierische Erbe

Die Kleider Nimrods, die Esau mitnimmt, sind die Kleider Adams. Es ist die Umhüllung von or, 70+6+200 (Haut), die Gott Adam gibt. Diese Umhüllung gelangt irgendwann zu Noach, doch dann wird sie von dessen Sohn Cham gestohlen. An diesem Punkt kommt es zu einem „Defekt“, denn dass der Mensch hier im Körper erscheinen kann, hängt mit diesem Diebstahl zusammen, ist eine Art An-sich-Reißen von etwas, das einem eigentlich nicht gehört. Es hängt mit dem Thema der Erbanlagen zusammen. Es handelt sich um einen Fall, eine Verirrung des Menschen, eine Entfernung vom Ursprung, die durch den Begriff Cham erfolgt. Dieser Cham wird dann auch zum „König der Welt“. Ein König bestimmt und beherrscht. In diesem Kontext könnte man eine andere Sicht auf das Thema der genetischen Vererbung bekommen. Was beherrscht uns von dorther?
Das Kleid des Menschen ist nicht wirklich der Körper, den wir hier sehen, sondern es ist etwas, das von Gott geschaffen wurde, durch das unser Körper immer die Form annimmt, die er annimmt, doch jetzt ist Cham „dazwischen“. Cham hat den Zahlenwert 48 (8+40), wohingegen sein Vater Noach die 58 (50+8) hat. Man sieht schon in den Namen, dass es mit diesem Sohn zu einer Art Fall ins Zeitliche, Tierische kommt. 48 ist auch die Anzahl der Chromosomen bei den Menschenaffen (Schimpanse, Gorilla und Orang-Utan). Cham stiehlt das Kleid, das an anderer Stelle mit der abgestreiften glatten Haut der Schlange gleichgesetzt wird, beim Verlassen der Arche. Durch Cham geht das Kleid weiter bis zu Nimrod. Der Besitz dieser Hülle Adams ist etwas ganz Besonderes. Denn sie ist es, die Gott dem Menschen gibt, wenn er die Welt von Eden verlassen muss und beginnt in diese Welt hinabzusteigen, so wie es der Schöpfung entspricht. Wer diese Hülle trägt, mit anderen Worten, in dieser Form erscheint, wer diese Gestalt erhalten hat, ist dem Kern am nächsten. Er trägt das Wesen der Erscheinenden. Er kann damit Gutes tun und er kann damit Böses tun. Die Macht, die diese Erscheinung bietet, kann auf diese oder jene Weise genutzt werden. „Ich möchte nicht in seiner Haut stecken“, ist ein Ausruf, der damit zusammenhängt, dass bestimmte Schicksale mit einer bestimmten Form der Verkörperung verbunden sind. Nimrod hat diese Hülle und ist damit nicht nur der König der Welt, sondern auch der König als Jäger.

Die Rückkehr eines guten Schicksals

Wenn Jakob den Segen Isaaks erhält, bekommt er diese Kleidung von Rivkah (Rebekka). Fortan hat Jakob dieses Aussehen Adams, diesen gottgegebenen Körperausdruck. Es ist ganz entscheidend, dass diese Form mit Jakob zur Möglichkeit eines guten Schicksals zurückkehrt, eines Schicksals, das die Rückkehr zu Gott ermöglicht. Man versteht daher die Mitteilung, dass Rivkah ein gilgul von Chawah und Jakob von Adam ist. Gegenüber Esau findet das Gleiche statt, was in Eden mit Adam und Chawah und der Schlange geschah, nur umgekehrt.

Jetzt, da Jakob diese Hülle wieder hat, kann der Weg zu den 12 (Söhnen) beginnen, der Weg zur Menge. Jetzt kann diese Welt kommen und bevölkert werden. Dem eigentlichen Abstieg in diese Welt steht nichts mehr im Weg. Der Mensch kommt von anderswo in diese Welt. Durch Rivkah als Chawah und durch Jakob als Adam bekommt diese Welt einen menschlichen Aspekt. Eine Überlieferung besagt, dass Esau mit Nimrod auch dessen Sohn Chior 8+10+6+200 tötet (Yalkut Schimoni, Remez 110). Nimrod empfängt hier nicht mehr die Lebenden. Er kontrolliert wie ein Schatten die kommenden Jäger, die nun im Zeichen Esaus existieren. Und diese Jäger kennzeichnen in dieser Neuen Welt die Rastlosigkeit, die Unruhe, die Angst vor dem Tod, das Nicht-wirklich-Kennen des Anderen, das nur an Rausch oder Aufregung glauben kann und deshalb Angst vor dem Aufwachen hat. Wenn Esau in diesem Zustand ist, nimmt die andere Seite der Zwillinge, d. h. Jakob, die bechorah von ihm. Esau gibt sie für den Kreislauf dieser Welt auf. Sein Augenmerk ist nur auf Reichtum und Macht in dieser Welt gerichtet. Alles andere hält er für wertlos. Dadurch beschämt er die bechorah. Er achtet sie geringer als das vergängliche Leben und so verliert er auch die Fähigkeit, tragende und bleibende Zusammenhänge zu verstehen. Alles dreht sich bei ihm um den nächsten Fang, der noch größer sein muss als der letzte, der nur einen Moment lang eine gewisse Genugtuung brachte. Man folgt dem Betrug des „beim nächsten Mal werde ich DAS Tier fangen, das alle meine Wünsche befriedigt“. Das durch viel Mühe und Disziplin ergatterte Hoch mündet danach in ein noch größeres Tief, von dem man sich zuvor aufgerafft hatte. Dieses Jagen, dieser Trieb, hängt mit dem Verlust des Vertrauens in das Leben zusammen (Abraham stirbt). Wer zu jagen beginnt, muss sich tatsächlich um alles selbst kümmern, trifft auf andere, denen es genauso geht (ein Jäger begegnet dem anderen Jäger) und mit jedem gelösten Problem tauchen neue Probleme in noch größerer Zahl auf (die Tiere werden mehr).

Die Konfrontation beginnt, wenn man der 1 begegnet

Esau ist dann 15 Jahre alt. Mit der 15 kommt man an eine Schwelle. Das 15. Wort in der Bibel ist das bekannte tehom (Abgrund), das 15. Zeichen eine aleph, die der 1. Buchstabe des Alphabets ist und als Form wie ein Zwilling erscheint, und das erste Wort mit dem Zahlenwert 15 finden wir in 1. Mose 8:5, es ist b’echad, übersetzt „in (der) Eins“. Da es im Text um die Zwillinge Jakob und Esau geht, zeigt sich ein weiterer Zusammenhang in Psalm 15, worin David zu Beginn fragt: mi jagur b’ahalecha? (wer wird in deinem Zelt verweilen?). Es ist Jakob:

Und die Knaben (na’arim) wuchsen heran. Und Esau wurde ein jagdkundiger Mann, ein Mann des Feldes; Jakob aber war ein sanfter Mann, der in den Zelten blieb.

1. Mose 25:27

Wer wie Esau lebt, versteht nichts vom Wesen des Wortes, von der Erlösung, er hat keine Zeit dafür, ist voller Angst und immer auf der Flucht. Das ständige sich um sich selbst Drehen und das Trachten nach Erfolg und Sicherheiten macht müde und schläfrig. Dieser „Erstgeburtshandel“ zwischen Esau und Jakob ist eine Folge der Lebensweise des Menschen. Wer als Esau lebt, verkauft damit automatisch die bechorah, und wer als Jakob lebt, erhält sie, obwohl man doch eine Geburtsreihenfolge nicht ändern kann – oder doch? „Ehe Abraham ward, bin ich!“ (Joh. 8:58) – Was später erscheint, muss nicht jünger sein. Jakob wird das doppelte Erbteil des Erstgeborenen regelrecht in den Schoß geworfen.
Jeder Mensch wird als Zwilling im Bilde von Jakob-Esau gesehen. Im Menschen selbst findet das alles statt. Deshalb frage man bei einer Handlung nicht nach dem „was“, sondern nach dem „wie“. Menschen können große Dinge vollbringen, aber „wie“ sind sie dazu gekommen und „wie“ führen sie es aus? Esau sucht die äußere Erfüllung, Jakob die innere. Beides gehört zusammen, jedoch diene das Äußere dem Inneren:

(Isaak zu Esau) und von deinem Schwert wirst du leben, und deinem Bruder (Jakob) wirst du dienen; und es wird geschehen, wenn du umherschweifst, wirst du sein Joch zerbrechen von deinem Hals.

1. Mose 27:40

Im Segen Isaaks bekommt Esau gesagt, dass er nichts von Jakob befürchten muss, wenn er rud, 200+6+4, ist. Das bedeutet zunächst einmal „in Bescheidenheit helfend unterstützen“. Die Wurzel von rud ist jarad, 10+200+4, das Herabsteigen. Wenn das Äußere in unserem Leben diese Stellung unserem Inneren gegenüber hat, es also das Innere von unten her stützt und trägt, wird das Innere sich nicht gegen das Äußere wenden. Überdies wird unsere äußere Seite, das Dienen nicht mehr als Unterwerfung, sondern als Erfüllung empfinden. Emanzipiert sich jedoch der Jäger, wird das Innere – allgemein gesprochen, die Seele – den Körper und den Verstand angreifen und das Leben zur Hölle umgestalten.

Ein Jäger tötet den anderen

Esau, der in seinem Namen das Tun hat, tötet den Jäger, der sich alles unterwerfen will (Nimrod und dessen Sohn), enthauptet ihn, nimmt ihm die Verbindung zur 1, um das Kleid Adams in seinen Besitz zu bringen. Doch beim Trauermahl anlässlich des Todes Abrahams, seines Ahnen, zieht er das „rote Runde“ (Blutkreislauf) seinem doppelten Erbe vor, woraufhin er das Kleid Adams wieder verliert und an seinen Bruder abgeben muss. Das Linsengericht ist die traditionelle Speise auf einer Trauerfeier. Jakob hält nicht an dem „roten Runden“ fest, das auf einer anderen Ebene die Entsprechung für die Durchtrennung des Blutkreislaufes steht. Das Rote wird dann aus seinem Kreislauf befreit. Esau bekommt wegen seiner Affinität zu dem endlos kreisenden Roten den Namen Edom (Roter). Alles dreht sich in dieser Gesinnung im Kreis, eine Antwort erhält man so nicht. Die Verheißung liegt ausschließlich dort, wo man den Durchbruch wagt. Praktisch zeigt es sich auch darin, im Leben nicht alles erzwingen zu wollen, als ob dieses Leben alles wäre und es sonst nichts gäbe. Ein Durchbruch kann auch gerade bedeuten, etwas zu unterlassen. Auf einmal kommt der Segen wie bei Jakob auf eine ganz andere Weise zu uns. Wenngleich Jakob daraufhin flüchten muss, bekommt am Ende jeder seinen Ort.
Esau kommt nach se’ir, 300+70+10+200, zurück und Jakob hat fürder nichts mehr zu befürchten (1. Mose 33). Se’ir zählt die 580, womit das Maß der Zeitdauer des Materiellen angegeben wird (58, 580, 5800). Am Ende wird man erkennen, dass Jakob tatsächlich den Segen erhalten hat; alles Irdische musste dazu dienen, dass der Ivri (Jenseitige, der Hebräer in uns) seinen Weg gehen konnte.

Der Artikel basiert auf verschiedenen Texten Friedrich Weinrebs in NL.