Wenn die Welt sich als Hure zeigt,

image_pdfPDFimage_printDrucken

sucht sie deine volle Aufmerksamkeit. 

Die Suche der Frau nach Erfüllung

Die Erzählung von Thamar und ihrem Schwiegervater Jehuda (Juda) in Gen. 38 hinterlässt, wenn man die (Ge-)Schichten unter der Oberfläche des Buchstabens nicht kennt, ein seltsames Gefühl. Manchen ist es gar peinlich, dass so etwas in der Bibel erzählt wird. 

Der 4. Sohn Jakobs mit Leah ist Jehuda, der mit seiner Frau, der Tochter Schuas, drei Söhne hat. Als Frau wählt er für seinen Erstgeborenen Er (Gher) eine Enkelin Schems aus, deren Vater Elam (עילם) heißt. Ihr Name ist Thamar (תמר), übersetzt Palme bzw. Dattelpalme oder auch nur die Dattel, von der das Süße kommt. DVASCH (דבש), Honig, meint nicht nur das Süße der Biene, sondern auch das Süße der Dattel, der Frucht des 7. Tages. Die Biene steht mit dem Honig für das Süße des Beweglichen (Tier) und die Dattel ist das Süße des Unbeweglichen (Pflanze). Dem Süßen steht in der Bibel das Bittere gegenüber. Thamar kann man auch als „du verbitterst“ lesen. Sie hat das Bittere in ihrem Namen, aber ihre Frucht soll süß sein. Mit „Er“, dem Erstgeborenen Jehudas, soll diese süße Frucht kommen. 

Wer im Garten pflügt, soll nicht in der Wüste säen

Das Entstehen einer Frucht setzt ein Wesen voraus, das über eine Aufnahmeeinrichtung verfügt, die geeignet ist, etwas einzugliedern, das nicht zu diesem Wesen gehört, um es in das eigene Wesen zu integrieren. Das ist eine umschreibende Deutung des Wortes NEQÉVA (נקבה), das man mit „weiblich“ oder „Frau“ übersetzen kann. Das Fremde, das es zu integrieren gilt, nennt man SACHAR (זכר), das meist mit „männlich“ oder „Mann“ übersetzt wird, doch genauso „erinnern“ bedeutet. Das Befruchten einer Frau bedeutet, dass sie dort erfüllt wird, wo eine Erfüllung vorgesehen ist. Diese Erfüllung ist die Implementierung einer Information, die nicht aus ihr selbst kommt. Das ist der entscheidende Punkt! Das bezieht sich auf jeden Menschen. Deshalb „erkennt“ (ידע) der Mann die Frau, oder besser: Er schenkt ihr etwas von sich, sodass sie sich erinnern kann, wovon sie getrennt wurde. Trifft dieses „Wissen“ (Samen) auf einen befruchtungsfähigen Minimalkörper (Ei), der schon vor ihrer Geburt angelegt wurde und dadurch bereits in der Großmutter weilte, kann daraus ein Kind entstehen, das für eine Neue Welt steht.

Nur auf diese Weise kommt DIE Neue Welt zustande. Die erste „Erkenntnis“ dieser Art wird in Gen. 4:1 berichtet: „Und der Mensch erkannte Eva“. Das Wort „erkennen“ (ידע) ist an dieser Stelle das 1111. Wort der Bibel. Eins-Werden ist ein in Kontakt Treten mit anderen Welten. Der körperliche Aspekt ist nur die Oberfläche dessen, was tatsächlich passiert. Unter der Oberfläche verweben sich im Moment des Geschehens Schicksale miteinander. Die geschlechtliche Vereinigung ist identisch mit einer Hochzeit. Ob die Gesellschaft das so sieht, hat keine Auswirkung auf dieses Prinzip. Umgekehrt ist eine Ehe ohne Zusammenkommen der Geschlechter ungültig. Die Ehe wurde dann nicht geschlossen. Ganz praktisch besteht das erwähnte Erkennen darin, dass der Mann etwas gibt, aber was erkennt er denn dadurch?
Er gibt eine Vielheit, von der in der Mehrheit der Fälle einer auf die einzige zur Verfügung stehende Option stößt und diese erobert. Durch die daraus erwachsende Frucht kommt es zur eigentlichen Erkenntnis. „Da wollen wir doch einmal sehen, was dabei herauskommt“, sagt der Volksmund und spricht dabei Wesentliches aus. Wenn „nichts“ dabei herauskommt, spricht die Bibel nicht von einer Erkenntnis. Ach, sieh mal, wie der Sohn dem Vater gleicht!, will sagen: Ich sehe einen Zusammenhang. Wie? Es gibt eine Ähnlichkeit. Diese kann man häufig schon äußerlich sehen, aber innerlich bleibt sie oft geheim. 

Wenn ich als Vater meine eigenen Söhne beobachte, denke ich mir manchmal: Wie ähnlich sie mir doch sind. Aber ich erkenne das an den Wesenszügen, ihren Interessen und ihrem Verlangen, weniger am Aussehen. Dafür haben Außenstehende eher einen Blick. Erst in der Frucht erkennen wir uns wirklich und dazu gehört das Tun und Wirken. Was helfen uns große Bibliotheken, Unterricht oder das Studieren, wenn wir nichts davon mit uns in Verbindung bringen können? Nichts. Alles wirkt zusammenhanglos und leer. Wie erfüllend kann es dagegen sein, auch nur etwas mehr über sich selbst zu erkennen und sich damit auch selbst näherzukommen. Das ist auch ein Aspekt hinter der Schöpfung, denn sie kommt selbst aus etwas anderem als Frucht hervor. Die Wörter für Sohn (בן) und Tochter (בת) beginnen im Hebräischen mit demselben Buchstaben wie die Bibel, nämlich der Beth (ב), der 2.

Er (ער), Thamars erster Mann, will keine Frucht. Er glaubt weder, dass aus einer bitteren Thamar etwas Süßes hervorkommen kann noch an eine Neue Welt, die etwas von ihm in sich trägt, und so vermeidet er bewusst, dass eine solche kommen kann. Sein Name ist im Hebräischen die Spiegelung des Wortes „böse“ (רע). Das Böse will nicht erkannt werden. 

Was sich jetzt wie eine Anleitung zum Verhüten liest, geht viel weiter. Zwischen Er (70+200) und Thamar gibt es eine Verbindung, die aus der Sicht Jehudas ein „perfect match“ ergibt, wie man heute sagt. Das Wort „Samen“ ist SERÁ, 7+200+70, das man auch als „siehe (das ist) böse!“ liest (SEH RA), zeigt wie ER (270) mit der 7 verbunden ist. RA besteht, wie beschrieben, aus denselben Buchstaben wie Er, nur dass es im Wort SERÁ mit einer Sajin, der 7 eingeleitet wird. Und die Dattel, die Thamar ist die 7. Wachstumsart. Also besser könnte es doch gar nicht passen! 

Die Bibel macht nicht viele Worte über Er. Aber sein Name taucht später interessanterweise beim Sohn seines Bruders Schela wieder auf (1. Chr. 4:21). Schela stellt mit der Benennung seines Sohnes eine Verbindung zu dessen Onkel her. Das scheint ehrenwert zu sein, den verstorbenen Bruder mit seinem Namen wieder in die Familie einzugliedern, zeigt aber auch, woher Jehudas Angst, seinen Sohn Schela der Thamar zu geben, wirklich rührt. Schelas Gesinnung war der Linie des Messias nicht würdig. Um zu verhindern, dass er mit Thamar zusammenkommt, musste bei Jehuda etwas entstehen, das ihn motiviert, den dritten Sohn zurückzuhalten. Das ist die eigentliche Wurzel seiner Angst. Schelas Name bedeutet „ich möchte ein ruhiges, zurückgezogenes Leben führen und meide Auseinandersetzungen“ (שלה). Wäre David Schelas Linie entstammt, hätte er in Bezug auf Goliath gesagt: „Ach, lass‘ gut sein, es wird sich schon jemand finden, der das regeln wird. Ich sitze lieber bei meinen Schafen und genieße die Natur.“ 


Mit Onan (אונן), dem 2. Sohn, den Sigmund Freud für seine Theorien veräußerte, treffen wir auf einen Namen, der mit grundlosem Hass zusammenhängt. Onan leitet sich nach Or HaChajim von ONA’A (אונאה) ab, das bedeutet, dass er Spaß daran hatte, andere zu belästigen und zu ärgern. Ein unbekannter innewohnender Hass treibt ihn zu immer neuen verachtenden und lästerlichen Attacken gegen andere. Als Grund für diesen Hass wird der Rückzug des Heiligen aus einem solchen Menschen angegeben. Das mag weit weg klingen und vielleicht denkt man: „Na ja, solche Leute kenne ich auch“. Ja, wir alle kennen mindestens einen davon, und das sind wir selbst, denn es heißt, dass das Nähren des Gedankens „diese Welt ist es einfach nicht wert, dass ich mich in irgendeiner Form engagiere“ der Gesinnung Onans entspricht. Man sucht nur seine eigenen Vorteile, sucht, dass man „seine Schäfchen im Trockenen hat“ und alles andere, na ja, darum können sich doch andere kümmern. Er und Onan sterben früh, und Jehuda denkt, es liegt an Thamar. Was hat diese Frau nur für einen Verschleiß an Männern, sie ist ja ein richtiger Man-Eater! 

Thamar ist die Welt des 7. Tages, in der man alle, die sich ihr widmen, sterben sieht. Ob man sich nun engagiert oder nicht, man stirbt ja sowieso, also wage ich lieber nichts! Aber immer wieder tritt diese Welt an uns heran, wie nervig kann sie sein! Kaum hat man seine Baustellen abgearbeitet, kommt der nächste Brief, kommt die nächste Nachricht und wieder geht etwas kaputt … Ständig nervt uns diese Thamar! Warum macht sie das? Weil sie dir zeigen will, dass sie als die vermeintlich Bittere das Süße hervorbringen wird, wenn du dich „richtig“ mit ihr verbindest. Ein Midrasch sagt: Sie sucht niemanden, der im Garten pflügt und in der Wüste sät. 

Hiermit ist nicht nur das Verschwenden der eigenen Kompetenz für Dinge, aus denen nichts Neues hervorkommen kann, gemeint, sondern auch das „den Mund wässrig Machen“, dann aber nichts zu essen anbieten. Die Rede ist von Versprechungen bei Verkäufen oder auch Therapien, die dann nicht eingehalten werden. Menschen investieren sehr viel Zeit und Geld in Dinge, von denen ihnen gesagt wird, dass sie helfen, um schließlich fruchtlos wie Thamar zu bleiben. Das Heilige macht nie Versprechen hinsichtlich eines äußeren Erfolges, weshalb es im Heiligen auch keine Experten geben kann. Eine Expertise bedeutet eine hohe Kompetenz auf sehr engem Raum. Bspw. könnte jemand Hausmeister in einer Besenkammer mit 3qm sein. Das gesamte Haus hat jedoch 5 Stockwerke mit je 10.000 qm pro Ebene, wie es bei einem Einkaufszentrum der Fall sein könnte. Was ist mit den anderen Räumen?
Das Heilige ist gar nicht messbar – was will man dann versprechen? Onan macht sein Gegenüber heiß und lässt ihn dann fallen und daraus macht er sich einen Spaß. Oder er ärgert andere, hat aber kein Interesse an einer Auseinandersetzung hinsichtlich einer gegenseitigen Befriedung der Situation. Onan ist der Grundloshasser, der immer mit denselben Floskeln aufwartet, ohne belastbare Argumente für seine „Überzeugung“ und sein Verhalten zu haben. Er hasst „einfach so“. 

Eine solche Gesinnung ist des Todes, das heißt, diesem Menschen wird die sättigende Freude am Leben genommen. Etwas stirbt ab und damit erlischt auch die Potenz und somit das Potenzial, das missbraucht wurde, weil es nur dem eigenen Fortschritt und dem Irdischen galt.

Thamars Hoffnung gerät zunehmend ins Wanken. Jehuda vertröstet sie jetzt mit seinem 3. Sohn Schela, der aber noch nicht alt genug ist. Sein Vertrösten ist wieder mal ein Täuschungsmanöver und aus seiner Sicht hat Thamar es einfach verdient, getäuscht zu werden. Schon wieder ein „perfect match“, denn das Wort Thamar hängt auch mit Täuschen, Tauschen und Widerspenstig-Sein zusammen. Seinen Vater hat er schon hinsichtlich des Verrates an Joseph mit dem Blut des Ziegenbocks getäuscht, was auch gut funktioniert hat – warum sollte es nicht auch mit dieser seltsamen Schwiegertochter klappen? Und so reitet er sich immer weiter hinein. 

Eine andere Sicht auf Jehuda

Jehuda steht als 4. Sohn des Stammvaters Jakob als Ivri (Jenseitiger) in der 4. Welt, der Olam Assia, der Welt des Tuns. Obwohl er noch so nah mit dem Ursprung verbunden ist, erkennt er nicht mehr die wesentlichen Zusammenhänge, was ihn zunächst einmal in schwierige Lebenssituationen bringt. Auch wenn es sich bis hierher so anhört, als ob er sehr berechnend und nicht sehr sympathisch sei, finden wir bei ihm etwas, das ihn in ein anderes Licht rückt: Er übernimmt Verantwortung. Mit seiner Idee, seinen Bruder zu verkaufen, wollte er verhindern, dass Joseph stirbt und die Vorenthaltung Schelas basiert auf demselben Beweggrund. Auch er sollte nicht sterben („Dass nicht auch er sterbe wie seine Brüder!“ Gen. 38:11). In der Welt des Tuns sind viele unserer Entscheidungen dadurch motiviert, den Tod zu verhindern. Um das zu erreichen, beginnt man mit der Zeit zu rechnen und zu hoffen, dass sie es schon irgendwie richten wird. Sicher wird es für Joseph zukünftig eine Lösung geben und die Sache mit Thamar wird sich auch eines Tages regeln …

Jehuda lässt sich durch seine eigenen Vernunftschlüsse jedoch korrumpieren, wie wir gleich sehen werden.

Der erste Freund in der Bibel: Ein Diesseitiger!

Jehudas Rechnen mit der Zeit mündet im Tod seiner Frau, der Tochter Schuas. Jetzt hat er nicht nur zwei Söhne verloren, sondern ist obendrein noch Witwer, genau wie seine Schwiegertochter. Sein Leben wird zu einer permanenten Auseinandersetzung mit dem Tod. Er verbleibt aber nicht im Tal der Trauer, sondern erlangt Trost und beschließt, hinauf nach Timnatah zu gehen. Timnatah (תמנתה) hat den Athbaschwert von 111 (1+10+9+1+90). Das Wort selbst hängt mit einem Oktett (tamnit) zusammen und stammt vom Verb MANAH (מנה), das „Zählen“, „zählbar feststellen“, aber auch „nicht identifizierbar“ und „verwirrend“ bedeutet. Das Achte ist scheinbar zähl- und erreichbar, aber doch nicht so, dass man Schritt für Schritt immer so weitermacht wie bisher. Diese Aussage erhärtet sich dadurch, dass auch das Zahlwort für „Acht“ (שמנה) 111 als Athbaschwert hat (2+10+9+90). 

Jehudah wird auf diesem Weg von einem Chira begleitet, einem Adullamiter, wie es dort heißt. Dieser Chira ist der Erste in der Bibel, der Freund (רעה) genannt wird. Niemand sonst wird vorher „Freund“ genannt. In Gen. 38:12 wird insofern ganz nebenbei die Grundlage einer Freundschaft mitgeteilt, sie heißen Jehuda (יהודה) und Chira (חירה). Diese beiden zählen, wenn man den Zahlenwert ihrer Namen summiert 253 (30+223). Das ist die volle 22. Der Positionswert der Zeichen beider Namen ist 73, aus welcher die 2701 hervorkommt, wenn man alle in ihr enthaltenen Zahlen miteinander addiert. 2701 ist nicht nur die Summe aller 28 Zeichen des ersten Satzes der Bibel, sondern auch die Summe von 452 + 262, worin sich die Begegnung zwischen dem Menschen (45) und Gott mit seinem unaussprechlichen Namen ausdrückt (26). 

 Die Freundschaft zwischen dem Ivri und dem Nicht-Ivri bilden die Grundlage einer neuen Schöpfung, die „auf dem Weg“ passieren soll.

Thamar durchschaut Jehuda und zielt auf seine schwache Stelle

Thamar, deren Schicksal seitens Jehudas in den Hintergrund geraten ist, hört von Jehudas Ansinnen und setzt sich ihm mitten in den Weg. Sie veranstaltet eine regelrechte Sitzblockade, die ihn fast zwingt, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Die Mehrheit derer, die den Text in Gen. 38 schon einmal gelesen hat, sagt betreffs Thamar, dass sie sich als Hure verkleidet habe. Komisch ist nur, dass sie von niemandem als solche erkannt wird. Auch die Art ihrer Kleidung ist nicht typisch freizügig, sondern genau das Gegenteil. Von Rebekka heißt es auch, wenn sie Isaak zugeführt wird, dass sie sich verhüllt, aber Rebekka verhüllt nicht ihr Angesicht. Thamar aber bedeckt ihr Angesicht und darauf reagiert Jehuda. Im Text lautet es: 

Und Jehuda sah sie und hielt sie für eine Hure, denn sie hatte ihr Angesicht bedeckt.
Gen. 38,15

Er „hielt sie“ für eine Hure. Dieses Dafürhalten heißt auf Hebräisch CHASCHAV (חשב), 8+300+2, das Rechnen und Verweben (Web) bedeutet. Nur in der Welt Jehudas erscheint Thamar als Hure – niemand sonst hält sie für eine solche. Thamar wusste, worauf er reagieren würde. Sie kannte seine Pforte, die er nicht bewachte und durch welche sie leicht in ihn eindringen konnte.
Thamar sitzt am Eingang von EJNAJIM (עינים), heißt es in Vers 14 (Kap. 38), und das bedeutet „Augen“. Für „Eingang“ steht B‘PHETACH im Text, das wörtlich „in Öffnung“ bedeutet – natürlich ist eine Öffnung auch ein Eingang –, aber zusammengenommen heißt es „sie sitzt in der Öffnung der Augen“. 

Der Ausdruck B’PHETACH EJNAJIM liest man auch als „zu Beginn zweier Hauptverkehrswege“ und diese „Wege“ verbringen das, was vor Augen ist, die optische Wahrnehmung, nach innen. 

Eigentlich hätte sie dort als Witwe sitzen müssen, so wie der Mensch die Welt als Witwe sehen sollte, die ihren Mann verloren hat. In Witwenkleidung hätte er sie jedoch anders behandelt. Er würde sich dann vielleicht ihrer erbarmen und sie wie eine Hilfsbedürftige ansehen. Diese Form der Hilfe brauchte sie jedoch nicht. Die Art ihres Sich-Gebens, man könnte sogar sagen ihres Sich-Anbietens zielte nicht auf Mitleid und Erbarmen, sondern auf eine Befruchtung von der „Potenz des Jenseitigen“. Die Welt des 7. Tages braucht kein Mitleid, denn Mitleid verhindert die Frucht. Für den Moment kann das Vorhandene durch Almosen erhalten werden, aber etwas Neues entsteht daraus nicht. 

Anhand ihrer Maske verstand er, worum es ihr ging. Aber Jehuda hatte seine Prinzipien und zu denen gehörte, dass er sich nicht auf eine solche Frau einlassen würde. Er geht davon aus, dass man sich in der 4. Welt eine gewisse Härte antrainieren muss und diese dann selbst verwalten kann. Eiserne Selbstdisziplin zugunsten des eigenen Weges sollten sich doch auszahlen. Da wird ein Engel vom Himmel gesandt, um seine Stärke zu brechen, heißt es in einem Midrasch. So wie er sein Versprechen Thamar gegenüber gebrochen hatte, so wird ihm jetzt seine vermeintliche Kraft gebrochen und er erliegt ihr.
Thamars sehnlichster Wunsch ist ein Kind von Jehuda, denn aus ihm soll doch der Messias geboren werden. Ihr ging es nicht um sich selbst, so wie es auch der Welt und der Natur nicht um sich selbst geht. Die ganze Welt sehnt sich nach der Erlösung, und sie weiß, dass sie dabei eine entscheidende Rolle spielen wird. So erweist sich Thamar eigentlich als Anti-Hure, denn sie will weder Geld noch materielle Vorteile, sondern ein Kind. Jehuda hingegen will mit dieser ihm in diesem Augenblick noch unbekannten Frau gerade kein Kind und steht bis zu diesem Punkt mit dieser Gesinnung auf einer Stufe mit seinen verstorbenen Söhnen, die auch keine Kinder wollten. Der Unterschied zwischen den Söhnen und dem Vater liegt darin, dass die Söhne aktiv und bewusst die Frucht verhinderten, während der Vater davon ausgeht, dass eine Hure schon wissen wird, was sie zu tun hat, um die Frucht zu verhindern. Wir sehen bei dieser Handlung einen Jehuda, dem die Kontrolle entgleitet und auf einmal nach dem Motto handelt: Ach, was soll’s, mittlerweile ist mir alles egal!

Rebellion gehört zum Weg

Thamar genießt im jüdischen Brauch ein hohes Ansehen, weil sie etwas gewagt hatte, was sich bis dahin niemand gewagt hatte. Sie hatte weder Vorbilder noch eine Garantie, dass ihr Verhalten „funktioniert“. Sie reißt alle Hürden nieder und es ist ihr offenbar egal, was andere zu ihrem Verhalten sagen. Eine solche Gesinnung bringt einen Messias hervor. Als brave Witwe wäre sie sicher gesellschaftlich akzeptiert gewesen, was auch dazu geführt hätte, dass die Menschen ihres Umfeldes sie versorgt hätten, aber das kannte sie bereits und sie wusste, dass wenn sie nichts ändern würde, sich nichts ändern würde. Es würde immer so weitergehen und eher würde sie sterben, als dass etwas Neues in ihr Leben kommt, das ihre Lebenskräfte völlig neu vitalisieren würde. Das war keine Option für Thamar. Sie brauchte kein Leben, von dem man rückwirkend sagt: „Ach, die Arme, ihr hat das Schicksal aber übel mitgespielt.“ Eine chronische Aufrechterhaltung von Mitleid und das Verweisen auf Schicksalsschläge lähmt die Bereitschaft, etwas Neues zu wagen. Ihr wurde klar, dass sie für den Durchbruch des Göttlichen ihr Brav-Sein – und wenn es auch nur für eine Tat sei – an den Nagel hängen musste. Sie hatte realisiert, worum es geht, das entfesselte in ihr eine Bereitschaft, die Außenstehende sogar als dämonisch bezeichnen würden, aber was verstanden solche Leute schon?
Thamar agiert im Charakter der 7, mit der es immer etwas Sonderbares auf sich hat. Mit dem Siebten hat sich eine hohe Spannung aufgebaut, die sich erst mit Erreichen des Achten auflöst. Deshalb drängt die 7 immer zur 8 hin. Auch in der Harmonielehre finden wir dieses Phänomen. Beim Spielen einer Dreiklangakkordleiter bildet sich auf der 7. Stufe ein Mollakkord mit verminderter Quinte, der beim Hören regelrecht schreit: Löse mich endlich mit der Oktave auf (Timnatah)! Aufgrund dessen spricht man vom Leitton-Akkord bei der 7. Stufe. Bei diesem Akkord darf man nicht lange stehen bleiben und schon gar nicht enden.

Im Farbspektrum ist es Violett, das den 7. Platz einnimmt. Dann folgt der Übergang in den für den Menschen unsichtbaren Bereich des Ultravioletten, der aber für die Biene noch sichtbar ist, die – wir erinnern uns – das tierische Pendant zur Dattel ist, die für das Süße steht, das das Bittere als Basis hat. 

Der Übergang von der 7 zur 8 ist aber kein gewöhnlicher Schritt mit Option zur Rückabwicklung, sondern ein Sprung ins Ungewisse. Bath-Schevá (Bathseba) ist „die Tochter der 7“ und auch im Zusammenhang mit ihr wird eine Geschichte erzählt, die im wortwörtlichen Sinne anrüchig ist. Diese Anrüchigkeit relativiert sich erst viel später mit der Geburt des Achten, Salomo. Das 7. Kind Leas ist Dina, und auch mit ihr passiert etwas, wovon man nach gesellschaftlichen Maßstäben sagen könnte: „Das darf doch nicht wahr sein!“ (Sie wird vergewaltigt). Dieses Muster findet sich auch bei uns. Es sind gerade die Ereignisse, in die wir „hineingeschlittert“ sind, ohne dass wir es wollten oder provozierten. Erst im Nachhinein können wir erkennen, dass manches kommen musste, um das Schicksal in eine ganz neue Richtung zu lenken. 

Jehuda dachte zu Beginn, dass die Zeit schon alles nach und nach von selbst richten wird, Hauptsache er behält eine reine Weste. Er unterschätzte die Kraft, die mit dem Anschauen der Ereignisse des 7. Tages, freigesetzt wird. Er kommt zu Thamar, weil er seinen Augen folgt. Auch Davids Begegnung mit Bath-Scheva hängt damit zusammen, dass er seinen Augen folgt. 

Wenn die Welt des 7. Tages nach Erlösung ruft, zielt sie auf die Augen dessen ab, den sie locken will, sich doch endlich ihrer anzunehmen. Thamar verhüllt sich, Bath-Scheva enthüllt sich – beides sind Taktiken, zwischen denen zwar mehrere Generationen liegen, die aber dasselbe Ziel im Visier haben. Thamars Verhüllung war Kalkül, wohingegen Bath-Schevas Enthüllung einem anderen Zwecke diente (sie badete). Sie hatte nicht bewusst vor David posieren wollen.

Jehudas Schlussfolgerung beim Anblick eines maskierten Gesichtes

Aus Jehudas Sicht war Thamar auf dem Weg eine SONÁH (זנה), was man mit Hure übersetzt. Woran macht er das fest? Es wird ausdrücklich mitgeteilt, dass er zu dieser Schlussfolgerung gelangt, weil sie ihr Gesicht hinter einer Maske versteckt. Das Bedecken des Gesichtes liest Jehuda als „mir fehlt die innere Erfüllung“.

Das Gesicht des Menschen entspricht seinem Kern, seinem inneren Wesen, wie es das Wort PANIM (פנים) schon sagt. Eigentlich bedeutet das hebräische Wort „dem Inneren zugewendet sein“. Oder anders: Das Gesicht ist Ausdruck dessen, was an der Innenseite existiert. Innen ist die „1“, die durch das Gesicht nach außen gezeigt wird. Deshalb deckt man im jüdischen Brauch bei einem Toten sofort das Gesicht ab, weil man sagt, dass der Kern, die „1“, den Körper, die „4“, verlassen hat. Dieser Kern steht für das Bildnis und Gleichnis Gottes. Das Bedecken des Angesichtes beim Lebenden bedeutet einerseits „das sich zur Hure machen“ und andererseits die ausschließliche Betonung des Körperlichen. Daher gehört es zum Wesen einer זונה ihr Gesicht zu bedecken.

Eine Maskierung kann sich bis ins Äußerste zeigen, vielmehr sind jedoch gesellschaftliche Etikette gemeint. Die westliche Leistungsgesellschaft hat es geschafft, dass die Menschen sich nur noch über ihre diesseitige Biografie definieren. Geburt, Ausbildung, Abschlüsse, Qualifikationen und Familiensituation sagen so viel über den eigentlichen Menschen aus, wie die Oberfläche des Ozeans über das, was im Wasser verborgen lebt. Jede Zeitlage fordert ihre eigenen Masken, die anerkannt und durchgewunken oder abgelehnt werden. Der Ivri der Olam Assia (Jehuda) erkennt, wenn die Welt ihm auf seinem Weg auf diese Weise begegnet. 

Der Sinn des Wortes SONÁH wird nur durch die beiden Konsonanten Sajin (7) und Nun (50) getragen. Hier erkennen wir wieder eine überraschende Verbindung zu der Geschichte von Thamar und Jehuda, der auf dem Weg nach Timnatah gewesen ist. Und wir erkennen eine Verbindung zu dem jüdischen Segen, der bei der Mahlzeit gesprochen wird (Birkath Ha-MaSON). Wörtlich heißt er „Segen der Nahrung“. Das Wort Nahrung, SON, schreibt sich Sajin-Nun (7+50), genau wie das Wort für Hure, die dann nur noch eine He angehängt bekommt (7+50+5). Angesichts dessen wird SONÁH als „sehr gut genährt und daher wollüstig“ beschrieben. Hurerei ist keine Einzelerscheinung, die isoliert auftritt, sondern eine Konsequenz aus einer sehr üppigen Ernährung, die, wie wir später sehen werden, mehr mit dem Konsum optischer und akustischer „Nahrung“ zusammenhängt, als mit dem, was auf dem Teller gereicht wird. 

Jehuda erkennt bei Thamar einen „Defekt“, was SONÁH elementar bedeutet. Das heißt, ihr fehlt etwas. Sie ist hohl, unerfüllt, Sinnlosigkeit prägt ihren Alltag, obwohl es ihr äußerlich an nichts mangelt. Vor ihm sitzt eine zweifache Witwe, die nicht als solche erkannt werden möchte. Sie als SONÁH zu erkennen, bedeutet für Jehuda das, woran man auch die Welt erkennt, wenn sie aus lauter Verzweiflung darum bittet, dass wir nicht an ihr vorübergehen.

Wenn uns die Welt provoziert, zu ihr zu kommen, legt sie ihre Witwenkleider ab …

… und wir werden denken, dass es sich um eine Hure handelt, die man umgangssprachlich auch eine „Horizontale“ nennt. Wenn der Mensch diese Welt nur noch zeitlinear horizontal sieht, werden sich folgende Szenarien z.T. bis ins Äußerste manifestieren:

Kontakt mit „vielen Männern“, von denen sie erwartet, dass sie erfüllt wird, aber es sind nur Diesseitige, die vom Jenseitigen nichts wissen oder es hinter sich gelassen haben (Gen. 6:2). Unter diesen Männern versteht man viele Theorien, Philosophien, zeitliche Versprechungen und auch Religionen, denen es nur darum geht, hier auf Erden ein erfolgreiches und gesundes Leben zu erhalten.

Weil es keine Verbindung mehr nach innen gibt, ist der Drift nach außen zum Kreis hin sehr stark, was sich in zunehmender Zerstreuung und in mangelnder Fähigkeit, sich zu konzentrieren zeigt. 

Diese Welt sucht Beziehungen, ist aber aufgrund der fehlenden Beziehung zum Innersten beziehungsunfähig. Mit dem fortschreitenden Veräußern erhöhen sich die Spannungen, bis auch langjährige Verbindungen auseinanderfallen.

Traditionelle Werte gelten als überholt und werden als Hindernis in Bezug auf den allein seligmachenden Fortschritt gesehen, von dem man sich eine Erlösung auf allen Ebenen erhofft.

Mit „vielen Körpern“ hat sie Kontakt, das sind viele internationale Beziehungen, von denen man erwartet, dass dadurch die eigenen Probleme gelöst werden. Mit dem Wohlstand kommen dem Worte nach automatisch der Austausch und der Verkehr mit vielen Völkern. Je weiter die Menschen ihren inneren Kern verleugnen, desto fernere Verbindungen werden angestrebt. Der Bereich des Körpers ist die Ebene der Natur, die uns zeigt, dass jeder Körper in sich selbst über alle Organe verfügt, die seine Existenz sichern. Nur die Nahrung und das Wasser müssen von extern zugeführt werden, die Luft natürlich auch. 

Dem, der zahlt, öffnet man sich. In einer SONÁH-Welt entscheidet sich fast alles über das Geld. Man zahlt allerdings weniger aus Freude oder Anerkennung, sondern weil man muss. Viel haben wollen, aber wenig dafür zahlen möchten, lässt tief in die Gesinnung des also Agierenden blicken. Die Geringschätzung des Gegenübers, dessen Wert sich nur noch am Nutzen ermisst, ist typisch für eine Welt, die es mit sich selbst nicht mehr aushält.

Grenzenloser Spaß ohne belastende Konsequenzen.

Viele verehren einzelne, wobei Augen und Ohren eine besondere Rolle spielen.

Korruption, Erpressung und Empathielosigkeit.

Ein weiterer Punkt ist, dass es im Hebräischen auch Abkürzungen wie in anderen Sprachen gibt. So wie im Deutschen alle wissen, dass ein KFZ ein Kraftfahrzeug ist, so weiß man im Hebräischen, dass sajin-waw-nun (זו׳׳נ) die Abkürzung für SACHAR UNEQÉVA ist, das „männlich und weiblich“ bedeutet. Die Buchstaben, die das Wort Hure bilden, sind gleichermaßen das Kürzel für „männlich und weiblich“.

In einer SONÁH-Welt werden die Geschlechter getauscht, bzw. von der ursprünglichen Verbindung getrennt. Dies untermauert auch unsere Geschichte in Gen. 38:16, wo Jehuda Thamar nicht als Frau, sondern als Mann anspricht, weil sie sich wie ein Mann aufführt, der eindeutig geschlechtliche Handlungen einfordert, was eine Frau prinzipiell nicht machen würde. 

Hätte Jehuda Thamar als Frau angesprochen, hätte er beim Wort “Wohlan!” mit einer Jod enden müssen.

Dies ist für Leser der jüdischen Überlieferungen jedoch nicht verwunderlich, weil dort bekannt ist, dass mit der „7“ auch die Umkehrung eines Geschlechts stattfinden kann. Die oben bereits erwähnte Dina (das 7. Kind Leahs), ist während der Schwangerschaft zunächst männlich. Doch dann erinnert sich Leah, dass der nächste Sohn doch von ihrer Schwester Rachel kommen soll, und so wandelt sich das Geschlecht des Ungeborenen vom Jungen zum Mädchen und Dina wird geboren. Auch hier gilt die Warnung: Bilder, die beim Lesen automatisch auftauchen, sind Festsetzungen, die sich jeden Moment neu formieren können! Versuche nicht, heilige Texte als etwas Absolutes ins Äußere zu zwingen! Es sind zunächst einmal unumstößliche Prinzipien, die man sehr gut verstehen muss, um dann selbst erkennen zu können, wo man steht und was der nächste Schritt sein könnte.

Eine edle Gesinnung zeigt sich in der Motivation

Thamar war nicht von Anfang an auf Täuschung aus. Es bedurfte eines Weges der Enttäuschungen und Verzweiflungen ihrerseits, bis sie ihre Bedeutung erkannte und dafür einstand. Mit ihrer Verkleidung zielte sie nicht auf eine einmalige Begegnung mit Jehuda ab, sondern es war ihr ausdrücklicher Wunsch, dauerhaft als Frau an seiner Seite zu sein, was sich später auch erfüllte. Dass es sich also verhält, deutet man anhand der Objekte, die sie als Pfand fordert. Der Hinweis „Und er erkannte sie fortan nicht mehr“, in Gen. 38:26 zeigt, dass Thamar ihre Bestimmung gefunden hatte. 

Die Zwillinge, die nach dem Zusammenkommen auf dem Weg nach Timnatah geboren werden, machen Jehuda zum fünffachen Vater.
Fünf Söhne, fünf Männer kommen von ihm: Er, Onan, Schela, Serach und der fünfte Mann ist Perez. Vier Männer „schießen am Ziel vorbei“: Die beiden ersten Söhne sterben, der dritte darf nicht, der vierte spielt später bei Jericho eine Rolle, als Joschua das Land einnimmt; dort stehlen die Kinder Serachs, was im Bann ist und gehen unter. Vier werden also nicht verwirklicht, der Fünfte aber, Perez, bricht durch und siegt. 

Das ist die Umkehrung der femininen Maskierung, bei der die „1“ verschwindet und nur die „4“ bleibt. Bei den Söhnen, die für das Maskuline stehen, verschwindet die „4“ und die „1“ bleibt. 

Der Sohn, der zum Stammvater Davids wird, Perez, bedeutet dem Namen nach „einbrechen und nach außen verteilen“, aber nicht sanft und zögerlich, sondern mit gewaltiger Sprengkraft. Die Wucht ist so groß, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. Durch ihn lebt die Gesinnung seiner Mutter weiter – beide zählen die 14 im Athbaschwert und 14 ist der Zahlenwert Davids (4+6+4) auf den es hinausläuft. Die Mutter verwirklicht sich im Sohn. Im Buch Ruth steht geschrieben „alles Volk und die Ältesten sprachen“, dass Boas und Ruth werden soll wie „das Haus des Perez“ (Kap. 4:11-12). Der Sohn wird dort höher bewertet als der Vater, der nur als Erzeuger genannt wird. Der Einschlag dieser außergewöhnlichen Handlung Thamars hat heftige Wellen in Bewegung gesetzt. 

Was du hörst, begleitet dich!

Der Volksmund sagt, dass man jemand, dem man zuhört, sein Ohr leiht. Eine Hure verleiht auch etwas, nämlich ihren Körper, aber nur für eine gewisse Zeit. Hierfür hat man früher „Schäferstündchen“ gesagt, was das Leihen mit einer Stunde in Verbindung brachte. Die Begriffe Ohr, hören, horchen, gehorchen und huren hängen nicht nur im Deutschen, sondern auch im Hebräischen direkt miteinander zusammen.
Im Niederländischen sagt man zum Mieten eines Hauses: Een huis huren. Ein Miethaus ist dort ein „Hurenhuis“. Auch hierbei gilt: Erkenne das Prinzip! Die Stunde ist im Lat. hora, und auch dieses Wort hängt direkt mit den bereits erwähnten Begriffen zusammen. Nicht nur klanglich, sondern auch schriftlich. Hinhören ist im Hebräischen SCHA’A (שעה). Es bedeutet auch „Aufmerksamkeit leihen“, und ja, es ist auch die Zeiteinheit „Stunde“.

Jehudas erste Frau war eine Bath Schua, eine Tocher (des) Schua, der auch eine Rolle in diesen Kontext spielt (Gen. 38:2). SCHUA (שוע), Jehudas Schwiegervater, ist dem Namen nach ein Edler und Vornehmer, der als erfolgreicher Händler über ein stattliches Vermögen verfügt. Keine schlechte Wahl, Jehuda – schließlich ehelicht man ja nie nur eine Person, sondern immer eine ganze Mischpoche. Lässt man die Waw in SCHUA erklingen, tönt das Wort „SCHIVA“ und das ist der „Schrei der Verzweiflung“ oder ein „Hilferuf“. Für Jehuda ist diese Kombination aus „wohlhabend“ und „sich nach Hilfe sehnend“ wieder ein perfect match. Auf die eine oder andere Weise kommt er immer genau in die Situationen, die regelrecht maßgeschneidert auf ihn zugeschnitten sind. So empfindet es auch der Jehuda als Realität in jedem Menschen: Toll, wie das wieder alles gelenkt wurde! Das aber lässt sich nur rückwirkend erkennen. Spätestens als Onan seine Möglichkeit vertan hatte, kamen Jehuda mächtige Zweifel. Er verstand gar nichts mehr. Genau dahin sollte er gebracht werden: Dass er seine eigenen Berechnungen aufgibt und als Ivri in der Welt des Tuns lernt, umsonst zu handeln. Er ist in der Bibel der Erste, von dem es heißt, dass er umsonst tut. Sein Schicksal zeigt uns, wie weit man hinabsteigen muss, um „es“ wirklich umsonst (BECHINAM) zu tun. Wenn wir erkennen, wie die Ereignisse in unserem Leben gelenkt werden wie bei Jehuda, dann bedeutet das nicht unbedingt den Himmel auf Erden zu erleben, sondern hingeführt werden Richtung Altar, den MISBEACH, der 57 zählt, genau wie die beiden Hauptzeichen aus dem Wort für Hure und Ernährung (Sajin+Nun, 7+50). Dieser persönliche Altar, irgendwo an einem stillen Ort, ist das Ziel eines Perfect Match aus Gottes Sicht. 

Welche Frucht aus uns hervorkommt, hängt stark davon ab, wem wir unser Ohr leihen. „Leihen“ ist im Hebräischen dasselbe Wort wie „begleiten“ (לוה). Das Ohr hat die Form eines Embryos, weil sich ein solcher durch das Hören in uns bilden und heranwachsen kann. Das Gehörte begleitet uns und kann Wirkungen entfalten, die zunächst nicht absehbar sind. Hören ist eine passive Eigenschaft, ist empfangend wie eine Frau, die den Samen in sich aufnimmt. 

OSEN (אזן), das Ohr, zählt 58 (1+7+50), genau wie Noach (50+8). Noach leiht sein Ohr nicht den horizontalen Berichterstattungen und den gut gemeinten Ratschlägen seiner Zeitgenossen, sondern lauscht Gottes Wort. Einmal Gesagtes kann man zwar relativieren, aber nicht ungesagt machen. Wer dem Jenseitigen sein Ohr leiht, in dem kann ein Perez heranwachsen, der eine große Sprengkraft entwickelt. Dieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Bibel. Auch Thamar macht es vor: Sie geht aus ihrer Zurückhaltung heraus, fordert forsch wie ein Mann und lässt nicht locker.
Zeitlich gesehen sind wir alle im Zustand einer Witwe (man sieht nur die Schöpfung, aber wo ist der Schöpfer?), aber es kommen Momente, in denen man um des Ewigen willen, der sich doch in unserem Leben verwirklichen will, auf eine Art handeln muss, die sich vollkommen von dem unterscheidet, was man bisher getan hat. 

Darüber heißt es im Sohar:

Und zu dieser Zeit wird der Mond von diesen dunklen Schalen befreit werden und wird mit schönen Kleidern erneuert werden. Und das ist die „Erneuerung des Mondes“. Das ist es, was geschrieben steht (Gen. 38:14): Und sie zog ihre Witwenkleider aus (…) Und von ihr heißt es: (Ps. 103:5) … deine Jugend wird wiederhergestellt werden wie ein Adler.

– Tikkunei Sohar 36b:21