Wenn uns nahekommt, was uns ängstigt

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… könnte das die Ankündigung einer Neuschöpfung sein.

Das hebr. BARÁ (ברא), das fast immer mit schöpfen oder erschaffen übersetzt wird, bedeutet auch „roden“ (Jos. 17:15 ff). Es gibt verschiedene Motive, einen Wald zu roden.
Ganz praktisch wird etwas, was in der Zeit gewachsen ist, von seiner Wurzel getrennt oder sogar mitsamt der Wurzel entfernt.

Foto von roya ann miller auf Unsplash


Dadurch entstehen eine Öffnung und ein Raum für etwas Frisches, Neues – auch das bedeutet BARÁ (ברא).

Im NT wird von einer „neuen Schöpfung“ gesprochen, die mit dem „Vergehen des Alten“ einhergeht (2. Kor. 5:17). Schnell und manchmal sogar zu schnell bezieht man das nur auf die vergangene Zeit des eigenen Lebens, was natürlich auch der Fall sein kann. Aber das griechische Wort für „vergehen“ ist eine Zusammensetzung aus „nahe(bei)“ und „kommen und/oder gehen“. Etwas vom Archaischen, vom Alten, vom ursächlichen Prinzip einer Sache ist uns nahegekommen. Sagen wir nicht auch von manchen Ereignissen: “Oh, das ist mir nahegegangen.”

Etwas bildlicher ausgedrückt: Unserer Neu-Schöpfung geht ein Nahekommen einer alten Welt voraus, einer Welt, die mit einem Wald verglichen wird, der gerodet werden muss.
Auf Hebräisch heißt „Nahekommen“ KEREV (קרב), wovon das Wort KORBAN (קרבן) stammt, welches meist mit „Opfer“ übersetzt wird. Dass wir an einem bestimmten Ort geboren wurden, bestimmte Eltern haben und mit bestimmten Situationen konfrontiert wurden, hängt mit diesem Kommen und Gehen des Alten zusammen, das auf eine „Rodung“ drängt. Das ist keine Kleinigkeit. Es sind die Kämpfe in uns, die ständigen Fragen, das Zweifeln und die Selbstanklagen. Dieses Alte ist ein großer Wald, von dem niemand genau weiß, was dort alles gewachsen und wie alt es eigentlich ist.

Der Wald, hebr. JA’AR (יער) muss gerodet werden, wenn etwas Neues kommen soll. Spiegelt man das Wort für Wald, ist es der Ausdruck „mein Hirte“ (RO’I, רעי). Genauso finden wir es in Psalm 23: HA-SCHEM RO’I LO ECHSAR (der Herr ist MEIN HIRTE, mir wird nichts mangeln). Der Wald wird gerodet, das Gewachsene fällt und stirbt, wie auch der Hirte sterben muss, und mit ihm stirbt gleichsam die Alte Welt, auf dass eine neue Schöpfung sein kann. Das griech. Wort für „schöpfen“ (ktizo) bedeutet eigentlich „bewohnbar machen“. Diese Verbindung finden wir auch in Josua 17 (s. oben).

Es kommt nicht von ungefähr, dass Menschen nachts Angst in einem Wald haben. Geräusche, Knacksen von Ästen, was verbirgt sich dahinter? Wer beobachtet mich hier?
Je mehr vom Alten bei uns gerodet wird, desto mehr Raum bekommen wir, desto freier atmen wir. Die Enge verschwindet und der Angst wird der Nährboden trockengelegt. Dann entsteht eine Atmosphäre im Menschen, die seinem wirklichen Zuhause entspricht, das ihn wärmt, schützt und wo er sich auskennt, ganz ohne Anleitung.

Bist du gut zu Hause angekommen?“, fragt man manchmal seinen Besuch nach dessen Rückkehr. “Ja, sehr gut, ich bin wieder dort von wo ich ausgegangen bin.” Wie groß ist doch das Geheimnis der gesamten Schöpfung!