Wenn Unschuldige verurteilt werden …

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… und Kriminelle freies Geleit erhalten, ist das ein Hilfeschrei einer untergehenden Herrschaft, die sich selbst keinen Rat mehr weiß.

… denn gestohlen bin ich aus dem Land der Hebräer, und auch hier habe ich gar nichts getan, dass sie mich in den Kerker gesetzt haben. (Gen. 40:15)

Das sind Josephs verzweifelte Worte, als er versuchte, „seine Beziehungen spielen zu lassen“, wie man heute sagen würde. Der Mundschenk soll sich doch nach dessen Freilassung bitte an Joseph erinnern und ein gutes Wort bei Pharao einlegen, dass doch diese Gefangenschaft eines Unschuldigen endlich zu einem Ende kommen möge. Das Schicksal Josephs ist ein Drama sonders gleichen. Man kann in seiner Geschichte mehrere Gründe finden, weshalb es in seinem Leben so kam, wie es kam, aber ein Hauptgrund für seine Verurteilung und Gefangennahme ist, dass er etwas hatte, das der Welt um ihn herum abhandengekommen war.

Er suchte den Vorteil der anderen, half, wann immer er konnte, aber blieb dabei seinem Erbe treu, ein Hebräer, ein Jenseitiger zu sein. Nie hatte er vergessen, woher er gekommen und was sein wirklicher Ursprung war. Er strebte kein Amt in Ägypten an, aber die Leute dort merkten, dass er die Lösung für ihre Probleme war, doch entschlüsselten sie nicht, weshalb es so war. Für die Ägypter war Joseph ein Geheimnis. Woher nahm er nur die Kraft, die Weisheit, seine Freundlichkeit?

So fragt sich auch die Welt, die durch den Körper vertreten wird, wie man hier umsonst tun kann. Der Körper kann das nicht, aber instinktiv weiß er, dass er darauf angewiesen ist, dass etwas von außen in ihn hineinkommen muss, um das eigene Fortbestehen zu sichern. Der Körper nimmt gefangen und lässt freiwillig nicht mehr los. Was er isst, muss er von außen zuführen, es kommt nicht von ihm selbst. Ginge es nach dem Körper, würde er nichts mehr abgeben. Doch er wird gezwungen. Er muss wieder ausatmen, muss die Speise wieder ausscheiden, ob er will oder nicht. Ebenso wird er gezwungen, irgendwann die Seele freizugeben. Freiwillig macht er das nicht, denn immer fragt er: Was habe ich davon?

Wenn Menschen oder Völker das Jenseitige in ihrem Hochmut leugnen, können sie nur noch existieren, wenn sie diejenigen in sich aufnehmen und gefangen nehmen, von denen sie insgeheim, meist unbewusst, wissen, dass genau diese die Situation am Ende zum Guten hin umwenden können. Dieses Prinzip zeigt sich nicht nur bei Joseph, sondern zieht sich durch die ganze Bibel. Wer für Wahrheit, Gerechtigkeit und Gottseligkeit einsteht, erweckt das Interesse Nimrods, des Jägers, der auch heute noch auf Abraham abzielt und das passiert schon bei uns selbst, denn sobald wir dem Ewigen Raum geben, wird der Verstand anfangen zu rebellieren, weil es ihm niemals logisch erscheint, das Wohl der anderen über das eigene Wohl zu setzen. In wie vielen Menschen wird der Ivri (der Hebräer) durch eine rein diesseitige Logik gefangen gesetzt? Joseph hat keinen ägyptischen Anwalt, und der jenseitige Anwalt oder Richter scheint sich nicht zuständig zu fühlen. Menschen, die für andere das Beste wollen, fühlen sich oft gebunden, im Stich gelassen, ihrer wahren Heimat beraubt und verraten. Nicht einmal der Himmel scheint sich für sie zu interessieren.

Wir haben den großen Vorteil lesen zu können, wie die Geschichten der Bibel jeweils ausgegangen sind, aber wir wissen nicht, welchen Verlauf unsere eigene Geschichte nimmt. Variationen gibt es viele, aber Prinzipien nur wenige. Die Prinzipien der Bibel sind im Kern absolut, zeigen sich aber in der Projektion auf den äußeren Kreis immer wieder in neuen Formationen. Wer im Kern mit ihnen vertraut ist, wird sie auch in der Außenwelt wiedererkennen.